Ausstellung "Uncanny Values" in Wien

Die Zukunft ist unheimlich

Was uns das Zeitalter der KI jenseits von selbstfahrenden Autos und smarten Küchen bereithält, versucht jetzt die Wiener Ausstellung "Uncanny Values" im Rahmen der 3. Vienna Biennale zu ergründen. Doch der Mehrwert für die Probleme der Zukunft ist überschaubar

Kommt etwas Neues heraus, wenn menschliche und künstlich intelligente Designer gemeinsam Möbel entwerfen? Praxistaugliche Objekte jedenfalls nicht. Im Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK) legt "The Chair Project (Four Classics)" von Philipp Schmitt und Steffen Weiss äußerst humorvoll nahe, dass die Stuhlklassiker von Morgen ihren Nutzern nicht nur Gelenkigkeit, sondern auch Fantasie abverlangen werden. Lass ich mich nun in das Loch aus fehlender Sitzfläche fallen und suche dafür Halt an den drei Armlehnen?

Oder schaue ich lieber nebenan bei dem omnipotenten KI-Umweltmanager namens "Asunder" von Tega Brain, Julien Oliver und Bengt Sjölen vorbei, der ein Gewusel aus Satellitendaten zu Umweltverschmutzung, Biodiversität, Rohstoffknappheit und Bevölkerungsentwicklung eines ausgewählten Landstrichs analysiert, um den Planeten, zunächst nur auf riesigen Monitoren, zu optimieren? Als Konsequenz der manischen Rechnerei kann es schon mal passieren, dass die Maschine eine afrikanische Region kurzerhand nach Kalifornien verpflanzen möchte, um die Parameter aufzuhübschen, etwa die von Kupfer, das im Silicon Valley Mangelware ist.

Noch weniger Treffsicherheit beweist die Installation "Probably Chelsea". Heather Dewey-Hagborg ließ dreißig mögliche Porträts der US-amerikanischen Whistleblowerin Chelsea E. Manning mit Hilfe einer algorithmischen Analyse ihrer DNA herstellen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die KI hat offenbar die Daten jedes Mal äußerst subjektiv interpretiert, denn keine der im Raum hängenden Gesichtsmasken ähnelt dem realen Vorbild.

Auch wenn die omnipräsente Fehlerquote der von KI getroffenen Entscheidungen schmunzeln lässt, schafft Trevor Paglen es trotzdem mühelos, die Befürchtungen zu bestärken, dass uns das Regime der Computerprogramme früher oder später austricksen wird. Seine Videoinstallation "Behold Glorious Times" überwältigt mit Hundertausenden Bildern, die neuronalen Netzen dazu dienen, das Auswerten von menschlichen Emotionen und Gesten zu trainieren. Wehe dem, dessen Gesichtsausdruck eine Depression verrät. Das von der KI empfohlene Gegenprogramm möchte man sich gar nicht ausmalen.

Keine Frage, unheimlich grüßt hier die gar nicht so ferne Zukunft, die im heutigen China mit seinen hyperaktiven Überwachungssystemen längst Realität ist. Der Titel der Ausstellung "Uncanny Values", dem Herzstück der in Architektur und Design ausfransenden Vienna Biennale, nimmt deshalb auch Bezug auf den Begriff "Uncanny Valley" des japanischen Roboterforschers Nasahiro Mori, der das ungute Gefühl wiedergibt, wenn Menschen merken, dass der Roboter ihnen zu ähnlich wird.

Von Simon Dennys Hardwareskeletten kann man das nicht gerade behaupten, ihre Kühlungsventilatoren summen etwas allzu kühl am Betrachter vorbei. Immerhin suchen ältere Semester noch das Zwiegespräch. Und siehe da, Tilda Swintons digitaler Zwilling schaut einen aus Lynn Hershman Leesons "Emotional Barometer" von 2008 neugierig an und hält die interaktive Kommunikation rührend am Laufen, wenn auch begleitet von unlogischen Verständniskollisionen, ähnlich dem vollautonomen Poesiegenerator, der seit 2001 sinnfreie Sätze wie von Geisterhand zusammentippt.

Der Chatbot "ELIZA" hat gar Psycho-Tipps auf Lager. Entwickelt vom Informatiker Joseph Weizenbaum in den 1960er-Jahren, lädt er per Tastatur und Bildschirm dazu ein, in einer therapeutischen Begegnung den Seelenballast abzuladen, auch wenn der Ratschlag, lieber im Bett zu bleiben, statt den Frust am Arbeitsplatz zu ertragen, erstaunlich systemschädigend erscheint. Die Reise in die Vergangenheit, in der alles begann, glänzt mit verspielten Volten, nur wie hilft uns das bei dem Erkennen von potentiellen Auswüchsen der neuesten Technologien, die bereits Einzug im Gesundheitswesen oder etwa dem Militär gehalten haben?

Jede Menge Wandtexte arbeiten sich an diesen drängenden Fragestellungen der digitalen Moderne ab, klären über diese oder jene Wissenslücke auf. Anschaulich ist das nicht, zumal Lösungsfloskeln wie Grundeinkommen oder Arbeitszeitverkürzung unterkomplex einschläfern. Man wünscht sich beinahe einen digitalen Doppelgänger, der einem die Leserei abnehmen würde. Vielleicht wäre er sogar in der Lage zu prophezeien, welches Ungemach der Zivilgesellschaft, der Demokratie gar durch Big Data & Co. demnächst droht – vorausgesetzt, die Fehlerquote schlägt nicht wieder zu.