Museen und soziale Netzwerke

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Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden spielen nicht mehr mit: Nach vier Jahren zieht sich der Museumsverbund aus Second Life zurück. In dieser virtuellen Welt gab es bislang eine „Dresden Gallery“. 150 000 Avatare, also digitale Stellvertreter analoger Menschen, haben sich darin umgeschaut und die „Sixtinische Madonna“ und andere Reproduktionen betrachtet. Zuletzt kamen immer weniger, was auch daran liegen mag, dass der Rummel um diese Online-Infrastruktur nachgelassen hat.

Ein Rückschlag für die digitale Avantgarde unter den Museumsleuten? Nein, nur ein Zeichen dafür, dass alles in Bewegung bleibt und Flexibilität gefragt ist. Die Dresdner Kunstsammlungen bieten jetzt eigene 3-D-Panorama-Rundgänge auf ihrer Website an. Sich überhaupt auf das Abenteuer in dieser avancierten Pixelwelt eingelassen zu haben ehrt den Verbund. Denn nach wie vor tun sich Museen und Ausstellungshäuser im deutschsprachigen Raum schwer im Umgang mit sozialen Netzwerken und Blogs, selbst mit populären Plattformen wie Facebook, Twitter und YouTube, die weitaus leichter zu bespielen sind als Second Life. Weniger als 30 Prozent der Institutionen benutzen jüngsten Studien zufolge das Social Web. Das verwundert, bringt doch eine starke Präsenz in diesen neuen Kanälen offensichtliche Vorteile bei minimalen Kosten.

Sicher, nicht zu jedem Haus passen die informellen Kommunikationsformen sozialer Medien. Die so wunderbar bürgerliche Institution Museum hat schließlich einiges an Autorität zu verlieren. Man muss ja gar nicht so weit gehen wie viele amerikanische Museen, die sich etwas sehr entspannt in der Nutzung der neuen Möglichkeiten zeigen. Da twittern auch seriöseste Institutionen, was die PR-Mitarbeiter gerade zum Lunch hatten.

Soziale Medien erreichen neue Zielgruppen
Findet eine Einrichtung die passende Ansprache an die Community, dann bieten soziale Netzwerke und Blogs die Chance, neue Zielgruppen zu erreichen, Hemmschwellen abzubauen, auf Veranstaltungen und Neuigkeiten hinzuweisen und nicht zuletzt die Besucher besser kennenzulernen.Aber nicht nur Marketing, sondern auch Vermittlungs- und Kulturarbeit eines Museums wird durch das Internet neu definiert. Zum vergangenen Muttertag postete etwa das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) die Russell-Lee-Fotografie „Mother and Daughter in Saloon Restaurant, Gemmel, Minnesota“ auf Twitter – ein harmloser, aber netter Gruß. Und ein vorbildlicher Trick, zu allen denkbaren Anlässen Objekte der Sammlung herauszuheben, in neue Zusammenhänge zu stellen und präsenter zu machen, als sie im Museumsbau selbst sein können.
 
Mit Substanz kann es zur Sache gehen, wenn Museumschefs bloggen, Kuratoren sich befragen lassen (etwa über die Mitmach-Plattform „Ask A Curator“) und die Presseabteilung Making-of-Videos zur kommenden Ausstellung ins Netz stellt. Diese neuen Möglichkeiten gewähren einen Blick hinter die Kulissen, den keine Führung bieten kann, und kommen dem Bildungsauftrag einer öffentlichen Einrichtung näher als manch teure, aber schlecht besuchte Paneldiskussion oder wenig gekaufte Publikation.Nicht zuletzt geben soziale Medien Besuchern die Möglichkeit, sich zu einer Institution zu bekennen, für die sie Steuern zahlen.

Angst vor den digitalen Göttern
Was spricht also gegen die Nutzung des nun schon gar nicht mehr so neuen Web 2.0? Ist es die Angst vor dem Verlust der Deutungshoheit, die droht, wenn jedermann mitreden kann – eine Unsicherheit, der sich auch wir Journalisten stellen müssen? Ist es die Fixierung auf die Aura des Originals, auf die Würde des Ausstellungsorts, die keine digitalen Götter neben sich duldet? Ist es schlichte Ahnungslosigkeit? Oder verhindern hierarchische Verwaltungsstrukturen in Deutschland einen zwanglosen Umgang mit sozialen Netzwerken?

Für Letzteres spricht das beredte Schweigen des Wuppertaler Von der Heydt-Museums auf Twitter. Der letzte Beitrag war ein Abschiedsgruß mit dem Hinweis, dass man nicht mehr twittern dürfe. Auf Nachfrage von Monopol hieß es, dass die Stadt die Nutzung des Mikroblogs untersage, da ihr Folgekosten entstehen könnten. Später sagte eine Pressesprecherin, ein städtischer Datenschutzbeauftragter habe darauf hingewiesen, dass bei der Nutzung von „vielen externen IT-Diensten Daten (und auch die Nutzungsrechte daran) an Dritte übertragen werden können“.

Mehr Autonomie für das Museum 2.0

Allein die Sprache verrät das Problem. Wenn hier Stadtverwaltungen aus lauter Angst vor den neuen Möglichkeiten verbieten statt ermöglichen, kann es nichts werden mit dem Anschluss ans 21. Jahrhundert. Das Museum 2.0 braucht mehr Autonomie bei der Nutzung neuer Kommunikationswege. Im Gegensatz zu Abgängen bei Second Life ist die Abwesenheit des Von der Heydt-Museums bei Twitter nämlich wirklich ein Verlust.