Streaming-Tipps

10 Kunst-Filme, die sich jetzt lohnen

Künstlerin Katharina Grosse und Kurator Klaus Biesenbach
Foto: 3 Sat

Künstlerin Katharina Grosse und Kurator Klaus Biesenbach

Die Museen sind zu, die Streaming-Plattformen offen: Unsere Tipps fürs Wochenende mit Videokunst, einer groß denkenden Malerin und einer großen Künstlerin am Schachbrett
 


Per Video durch die Berlin Biennale

Am 1. November endete die 11. Berlin Biennale - ziemlich genau getimed, einen Tag vor der erneuten Schließung von Kulturhäusern. Wer es nicht in den Gropius Bau, die KW, die Daad-Galerie oder die Ex-Rotaprint-Räume im Wedding geschafft hat, kann nun noch einmal Corona-konform kontaktlos zusammen mit den Kuratorinnen per Videorundgang durch alle Standorte flanieren. Die Ausstellung "Der Riss beginnt im Inneren" setzt ihren Fokus auf Kunstmachen als Überlebensstrategie und Widerstand gegen koloniale Herrschaft. Kein kurzes Strohfeuer, sondern ein längerer Prozess war das Ziel der Kuratorinnen María Berríos, Renata Cervetto, Lisette Lagnado und Agustín Pérez Rubio. Als Videos lebt die Ausstellung nun auch online weiter.

11. Berlin Biennale, Videorundgänge, Biennale Online

Bartolina Xixa "Ramita seca, la colonialidad permanente (Dry Twig, The Permanent Coloniality)", 2019,
Foto: Saskia Trebing

Bartolina Xixa "Ramita seca, la colonialidad permanente (Dry Twig, The Permanent Coloniality)", 2019


Verstehe einer Amerika

Trotz der regelmäßigen Abgesänge beeinflussen die USA als Sehnsuchts- und Schreckensort noch immer die europäische und die deutsche Kulturlandschaft. Deshalb starrt man nun angespannt auf die Entwicklung rund um die Präsidentenwahl und legt mal wieder die Nation zur Analyse auf die Couch. Auch in den Mediatheken findet sich nun ein Schwerpunkt auf USA-Dokumentationen. Im Film "Stars gegen Trump" wird erzählt, wie sich nach 2016 Widerstand in der Kulturszene gegen den neuen Präsidenten formierte und sich die liberale New Yorker Kunstszene als Kraft des progressiven Widerstands gegen Populismus etablierte. Dabei entsteht das Bild einer intellektuellen, kreativen Blase, die für die europäische Amerika-Sehnsucht mitverantwortlich sein dürfte. Aber die Wahl hat nun auch gezeigt: Der glamouröse Kultur-Widerstand hat nur bedingt Wähler beeinflusst. 

Einen pluralistischeren Ansatz wählt der sehenswerte Film "Playland USA" von Benjamin Schindler. In einem opulenten Bilderstrudel zeigt er unterschiedlichste Inszenierungen von Identität, die in einer Nation möglich sind. Ohne zu werten stellt er Menschen vor, die in einer reenacteten Vergangenheit oder in einer imaginierten Zukunft leben. Pop trifft Spiritualität trifft Cosplay trifft Ufo-Watching. Also doch ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten?

"Stars gegen Trump: Widerstand in New York", ZDF-Mediathek, bis 10. November

"Playland USA", Arte-Mediathek, bis 23. November 2021

 

Filmfestivals on Demand

Kinos sind wieder zu, und so weichen auch Filmfestivals erneut ins Digitale aus. Darunter auch das renommierte Dokumentarfilmfestival Dok Leipzig und die Filmwochen in Duisburg, Kassel und Amsterdam. Für die meisten der Filme im Programm gibt es nun auch digitale Eintrittskarten, mit denen man einzelne Werke oder eine "Flatrate" online streamen kann. Eine Übersicht der Abstecher in unterschiedlichste Lebenswelten hat der Sender 3 Sat zusammengestellt. Einige Filme, wie die berührende Dokumentation "Becoming Black" über das Aufwachsen eines schwarzen Mädchens in der DDR und dessen spätere Identitätssuche, sind dort auch frei verfübar.

"DokFilmfestival", 3-Sat-Mediathek, unterschiedliche Ablaufdaten der Filme



Groß denken mit Katharina Grosse

Die Berliner Künstlerin Katharina Grosse hat die Malerei von der Leinwand geholt. Mit Farbe aus Sprühpistolen verwandelt sie Innen- und Außenräume in monumentale Farblandschaften. Gerade hat sie das Gelände rund um den Hamburger Bahnhof in Berlin zu einem bunten Spielplatz verwandelt. Die Dokumentation "Think Big!" begleitet eine der wichtigsten deutschen Künstlerinnen bei der Arbeit an dieser Ausstellung und reflektiert auch Grosses Rolle als Malerin, die die Männerdomäne Abstraktion für sich neu definiert hat.

"Think Big! Die Künstlerin Katharina Grosse", ZDF-Mediathek, bis 19. Dezember 2021

Katharina Grosse "It Wasn’t Us", 2020, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, Acryl auf Boden, Polystyrol und Bronze; Farbe auf Asphalt, Beton, Ziegel und Metall, 700 x 6.500 x 18.300 cm
Courtesy KÖNIG GALERIE, Berlin, London, Tokyo / Gagosian / Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Wien, Foto: Mathias Völzke, © Katharina Grosse und VG Bild-Kunst, Bonn, 2020

Katharina Grosse "It Wasn’t Us", 2020, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, Acryl auf Boden, Polystyrol und Bronze; Farbe auf Asphalt, Beton, Ziegel und Metall, 700 x 6.500 x 18.300 cm

 

Kunst retten mit Superheldin

Where in the world is Carmen Sandiego? Die Meisterdiebin mit dem roten Hut, die für das Gute kämpft, ist meist dort anzutreffen, wo sie Schurken vom Diebstahl wertvoller Kulturschätze abhalten kann. Die animierte Netflix-Serie, eine Neuauflage des Kinder-Klassikers, liefert neben hohem Unterhaltungsfaktor auch noch spannende Fakten zu Kulturstätten rund um die Welt. Zwischen den Kim-Possible-reifen Stunts wird auch immer wieder die Message der Serie klar: Kulturobjekte gehören öffentlich gezeigt, und die Böse ist, wer sie stehlen und zu Geld machen will.

In einer Spezial-Folge im März 2020 kehrt die Serie zu ihren Ursprüngen zurück. Die Figur Carmen Sandiego war eigentlich die Hauptprotagonistin eines Videospiels von 1985. In der interaktiven Folge “To steal or not to steal?” lässt Netflix uns selbst Carmen spielen, die einen Fall, ihre Freunde und viele, viele Kunstwerke retten muss.

"Carmen Sandiego", Netflix



Schweigen als Widerstand

Stalinstadt, DDR, 1956. Die beiden Schüler Kurt und Theo sehen Filmaufnahmen vom Volksaufstand in Ungarn. Sie entscheiden in ihrer Klasse eine Schweigeminute für die ermordeten Aufständischen einzulegen. Die rebellische Aktion bleibt nicht ohne Folgen und die Freunde sind schon bald verworren in Fragen nach Widerstand, Solidarität und Repression.

Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit und dem gleichnamigen Buch von Dietrich Garstka, der aus der DDR nach West-Deutschland floh. In der Verfilmung werden die tiefsitzenden Konflikte der Jugendlichen mit dem neuen Regime, mit der immer noch präsenten Nazi-Generation und dem Unwissen über das Verhalten der Eltern vor Kriegsende erforscht. Eindrücklich wird hier klar, was in einem repressiven System bereits ein Aufstand sein kann. Der Film ist Teil eines Schwerpunkts zum Thema Teilung und Einheit, 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung.

"Das schweigende Klassenzimmer", ZDF-Mediathek, bis 7. Dezember

"Das schweigende Klassenzimmer"
Foto: ZDF

"Das schweigende Klassenzimmer"


Die Schach-Königin

Das Damengambit ist eine der ältesten Eröffnungen beim Schach und eine der trending Serien auf Netflix. Sie erzählt die Geschichte der jungen Elizabeth Harmon, die in den 1950er-Jahren in einem Waisenhaus in den USA aufwächst und dort ihre Obsession und ihr Talent für das Schachspielen entdeckt. Sie spielt sich in den sieben Folgen durch die Schachturniere der USA und kämpft mit ihrer im Waisenhaus entwickelten Medikamentensucht. Aber es gibt noch zahlreiche andere Gründe, wenn nicht Schach, um diese Serie zu schauen. Die Hauptdarstellerin Anna Taylor-Joy spielt die Rolle des Wunderkinds großartig und erzählt gleichzeitig die Geschichte einer Emanzipation. Wer nichts mit Schach anfangen kann, findet eventuell Freude daran, wie Elizabeth Harmon einen Mann nach dem andern über dem Brett verzweifeln lässt. Alle hatten sie unterschätzt.

In den Kritiken werden auch die stimmungsvollen Bilder der Produktion und die Mode-Ausstattung gelobt. Die Kleider aus der Serie gibt es übrigens gerade in einer virtuellen Ausstellung des Brooklyn Museums zu sehen.

"Das Damengambit", Netflix

Anya Taylor-Joy als Beth Harmon in einer Szene von "Das Damengambit"
Courtesy of Netflix © 2020

Anya Taylor-Joy als Beth Harmon in einer Szene von "Das Damengambit"

 

 

Morden als Kunst bei Lars von Trier

Lars von Triers "The House That Jack Built" ist nichts für schwache Nerven. Bei der Premiere beim Festival in Cannes 2018 verließen zahlreiche Zuschauer den Saal vorzeitig, der Film wurde aber auch als komplex und bildgewaltig gelobt. Den Regisseur und Künstler von Trier störten die polarisierten Reaktionen nicht: "Das ist gut so, denn das bedeutet, dass der Film etwas bewegt, dass er ihnen zu denken gibt und sie aufwühlt."

"The House That Jack Built" erzählt von einem gescheiterten Architekten und Serienmörder, der Morde als Kunstwerke empfindet. US-Schauspieler Matt Dillon (54) übernimmt darin die Hauptrolle. Auch der verstorbene Bruno Ganz hat einen kleineren Part. "Ich versuche immer, so weit wie möglich zu gehen", sagte von Trier ("Dogville", "Melancholia") zum Filmstart vor zwei Jahren im Interview. "Dinge, die im wahren Leben passieren, sind schlecht, übel und böse. Und das sollte in Filmen erzählt werden".

"The House That Jack Built", Arte-Mediathek, ab 18 Jahren, bis 11. November

 


Neue Körper im Netz

Der Videokunstabend “Vessels” ist einer der Programmpunkte des Kunstfestivals “3hd 2020” unter dem Titel “Unhumanity”. Verschiedene Kunstschaffende zeigen Arbeiten die durch Virtual und Augmented Reality, Programmierung und gamifizierte Performances entstanden sind. Mithilfe von alternativen Körperbildern und Videospiel-Ästhetik werden politische Aussagen getroffen und unsere normative Wahrnehmung hinterfragt. Das Festival “3hd 2020” versteht sich als queerfeministisches Biotop. Es will Musik, Performance und digitale Kunst zusammenbringen und dadurch Begriffe wie Technik, Ökologie und Menschheit verbinden und neu denken.

“Vessels” wird online über die Seite des Theaters Hebbel Am Ufer (HAU) in Berlin gestreamt. Beginn ist am Freitag, 6. November um 20 Uhr. Die Arbeiten können danach als Video on Demand angeschaut werden.

"Vessels", HAU4 Online, Livestream 6. November, 20 Uhr, danach Video on Demand

 

3hd 2020: "Vessels"
Foto: Courtesy Steph Holl-Trieu

3hd 2020: "Vessels"

 

Jan Böhmermann startet seine neue Sendung im Hauptprogramm

Nach Jahren im Spartensender ZDFneo startet Entertainer Jan Böhmermann nun seine Late-Night-Show im ZDF-Hauptprogramm: Am Freitag, 6. November, ab 23 Uhr läuft "ZDF Magazin Royale", danach im Stream. "Wir werden auch mit der neuen Sendung zwischen 'Scheiße' und 'Richtig gut' pendeln", verspricht der 39-Jährige - was ja schonmal Hoffnung macht. In der ersten Folge geht es um Verschwörungsmythologien (und nebenbei übrigens auch um die Kunstsammlerin Julia Stoschek).

"ZDF Magazin Royale" startet am Freitag, 6. November, um 23 Uhr im ZDF, danach in der Mediathek

 Jan Böhmermann auf dem Dach des ZDF-Hochhauses
Foto: Jens Koch/ZDF/dpa

Jan Böhmermann auf dem Dach des ZDF-Hochhauses