Messe-Tipps

9 Dinge, die Sie auf der Art Basel nicht verpassen sollten

Daniel Knorr "Laundry", 2019, Art Basel, Meyer Riegger und Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
Foto: Saskia Trebing

Daniel Knorr "Laundry", 2019, Art Basel, Meyer Riegger und Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder

Bei der 50. Auflage der Art Basel bieten fast 300 Galerien aus 34 Ländern ihre Werke an. Wir sagen Ihnen, wo sich das Hinschlendern und Stehenbleiben lohnt

1. Die "Autowaschanlage" von Daniel Knorr auf der Unlimited

Es ist ja eine alte Frage, ob man die Kunstwelt auf die Schippe nehmen kann, wenn man sich selbst gerade im Epizentrum derselben befindet. Auf der Art Basel den Kunstmarkt zu kritisieren ist ungefähr so, wie einen Klimagipfel auf einem Langstreckenflug abzuhalten, bei dem alle Teilnehmer Kreuzfahrtschiff-Betreiber und mit Alufolie umwickelt sind. Trotzdem kann man sich dem Charme von Daniel Knorrs Großinstallation "Laundry" in der Unlimited-Sektion schwer entziehen. Der Künstler hat eine Autowaschanlage so umgebaut, dass sie aus Leinwänden zusammengezimmerte Autos bemalt. Das spritzt und keucht und sieht nach Arbeit aus. Aber es ist auch ein gelungenes Bild für die fordianische Fließbandproduktion von Kunst und die Transformation von Bildern zur Ware. Die Anlage dekliniert dann auch noch selbst in Leuchtschrift alle Kunstrichtungen durch, zu der sie passen könnte: Happening, Dada, Pop-Art. Das Statussymbol Auto zerlegt Knorr wie nebenbei. Die rudimentären Straßenkreuzer müssen mit Muskelkraft bewegt werden.

Daniel Knorr "Laundry", 2019, Meyer Riegger und Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Unlimited

Daniel Knorr "Laundry", 2019, Art Basel Unlimited, Meyer Riegger und Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
Foto: Saskia Trebing

Daniel Knorr "Laundry", 2019, Art Basel Unlimited, Meyer Riegger und Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder

2. Jill Mulleady bei Freedman Fitzpatrick

Schon auf der Biennale in Venedig waren die Gemälde von Jill Mulleady so betörend wie abstoßend. Mit ihren grotesken Kabinettstückchen übersetzt die US-Künstlerin die Schmerzensmaler der Moderne wie Edvard Munch und Frida Kahlo in die Jetzt-Zeit. Übrig bleiben zerbrochene Gestalten mit gegerbter Schönheit und einem Funken Hoffnung, das Leben irgendwie zu meistern. Auf der Art Basel werden die Bilder in einer Installation aus Überbleibseln aus einem zwangsgeräumten Haus in Los Angeles gezeigt. Fin de Siècle trifft Housing Crisis der Gegenwart. 

Jill Mulleady "Erupted Citadel", Freedman Fitzpatrick Gallery, Statements

Jill Mulleady "Erupted Citadel", Art Basel, Galerie Freedman Fitzpatrick
Foto: Saskia Trebing

Jill Mulleady "Erupted Citadel", Art Basel, Galerie Freedman Fitzpatrick

3. Benodebehari Mukherjee bei Vadehra Art Gallery

Dass die Moderne kein Alleinstellungmerkmal weißer Europäer und Nordamerikaner war, hat sich zum Glück inzwischen weitgehend herumgesprochen. Die Vadehra Art Gallery zeigt Collagen des Künstlers Benodebehari Mukherjee, der als Pionier des indischen Modernismus gilt und 2017 auch auf der Documenta in Athen und Kassel zu sehen war. Er lehrte an der Khala Bavana Kunstakademie in Shantiniketan, die so etwas wie das indische Bauhaus war. Seine Bilder sind bunte Wirbel, die zwischen Abstraktion und traditionellen Symbolen eine eigene visuelle Sprache finden. Eine dringend notwendige Erfrischung im Bauhaus-Jahr.

Benodebehari Mukherjee, Vadehra Art Gallery, Feature

Benodebehari Mukherjee "Untitled", Blue Cloud, 1957, Vahdera Art Gallery
Foto: Vahdera Art Gallery

Benodebehari Mukherjee "Blue Cloud", 1957, Vahdera Art Gallery

4. Kapwani Kiwanga auf der Unlimited

Es riecht gut in der Unlimited-Halle: Kapwani Kiwanga zeigt einen großen Triumphbogen aus duftendem Eukalyptus. Er ist dem nachempfunden, der 1962 zur Feier der Unabhängigkeit des Staates Ruanda aufgebaut wurde. In der Unlimited-Halle wird er nun langsam vertrocknen. So wie die Hoffnungen vieler afrikanischer Staaten, für die das Ende der Kolonialzeit noch lange nicht den Aufbruch in eine glückliche Zukunft bedeutete.

Kapwani Kiwanga: "Flowers for Africa: Rwanda", Goodman Gallery in Zusammenarbeit mit Galerie Jerome Poggi und Galerie Tanja Wagner, Unlimited

Kapwani Kiwanga "Flowers for Africa (Rwanda)", Art Basel Unlimited
Foto: Courtesy of Goodman Gallery

Kapwani Kiwanga "Flowers for Africa (Rwanda)", Art Basel Unlimited

5. Cauleen Smith bei Kate Werble

Die Kate Werble Gallery aus New York hat ihre Koje in der Feature-Sektion ganz mit einer interessanten Tapete ausgekleidet, davor ein Banner: "We will rock you", eine schwarze Faust. Sie zeigt einen Film der 1967 geborenen afroamerikanischen Filmemacherin Cauleen Smith über Alice Coltrane, die verstorbene Frau des bekannten Jazzers John Coltrane, die ebenfalls Musikerin war. Der essayistische Film, begleitet von einer Komposition Alice Coltranes, bezaubert durch seine Farben, er taucht in die - mittlerweile abgebrannte - weiße Villa ein, in der Alice Coltrane einen Ashram betrieb, zeigt Musikinstrumente, den Himmel. An der Kamera dieser zarten Hommage war neben der Regisseurin auch der Löwengewinner aus Venedig Arthur Jafa.

Cauleen Smith, Kate Werble Gallery, Feature

Cauleen Smith bei Kate Werble, Art Basel 2019
Foto: Elke Buhr

Cauleen Smith bei Kate Werble, Art Basel 2019

6. Gruppenschau bei Kurimanzutto

Mit einer durchbrochenen Holzwand von Leonor Antunes sieht eine Koje schon mal ganz anders aus - und wenn dahinter sich noch eine wunderschöne Kerzenparade von Danh Vo und ein Gemälde von Gabriel Orozco versteckt, vergisst man glatt, dass man auf einer Messe ist. Skulpturen von Jimmie Durham machen den Auftritt der mexikanischen Galerie Kurimanzutto perfekt.

Danh Vo, Leonor Antunes, Jimmie Durham u.a., Galerie Kurimanzutto

Danh Vo bei Kurimazutto, Art Basel 2019
Foto: Elke Buhr

Danh Vo bei Kurimazutto, Art Basel 2019

7. Marc Brandenburg auf der Unlimited

Die Gefahr fremdenfeindlicher Attacken ist nicht nur ein Phänomen der politisch aufgeheizten Gegenwart. Schon Anfang der Neunziger marodierte brauner Mob durch deutsche Städte. Wäre es nicht toll, wenn man sich einfach eine andere Hautfarbe anziehen könnte? Von 1992 stammen ursprünglich die "Camouflage Pullovers", die der Berliner Künstler Marc Brandenburg auf der Unlimited zeigt: Strickpullover, die auch Hände und Kopf überdecken und ihre Träger eine andere Identität verschaffen können. Die Maskenpullover sind in vier Hautfarben erhältlich, kaukasisch, asiatisch, arabisch und afrikanisch. In Videos sieht man ihre Träger durch Berlin spazieren - eine so unheilmliche wie anspielungsreiche Maskerade.

Marc Brandenburg, Camouflage Pullovers, 1992/2018, Galerie Thaddaeus Ropac, Unlimited

Marc Brandenburg "Camouflage Pullovers", 1992/2018, Galerie Thaddaeus Ropac
Foto: Courtesy Thaddaeus Ropac

Marc Brandenburg "Camouflage Pullovers", 1992/2018, Galerie Thaddaeus Ropac

8. Der Wohnwagen bei Neue Alte Brücke

Die Frankfurter Galerie Neue Alte Brücke hat ihre Koje bei den Statements komplett mit einem Wohnwagen vollgestellt, auf dem ein Name steht: Nancy Halt. War das nicht eine Land-Art-Künstlerin? Genau, nur mit o. Jetzt aber ist es ein Kollektiv, das unter diesem Namen einigermaßen verrückte Aktionen macht. In dem Wohnwagen hört man eine Soundinstallation, sind seltsame Objekte platziert, ein Schnuller, ein Stiefel. Auf dem Film dazu sieht man eine Frau, einen Mann und ein Baby bei einem Road Movie: Sie sind zu der legendären "City" des Land Art Künstlers Michael Heizer gefahren und wollten dort Nancy Halts Botschaft hinterlassen. Heizer hat angedroht, jeden Eindringling zu erschießen, ein Sturm kam - und am Ende gibt es Bilder von der "City", und glücklicherweise auch von einer Rückfahrt. Baby gegen gigantomanischen Kraftmeier-Künstler: eins zu null.

Nancy Halt bei der Galerie Neue Alte Brücke, Statements

Nancy Halt bei Neue Alte Brücke, Art Basel 2019
Foto: Elke Buhr

Nancy Halt bei Neue Alte Brücke, Art Basel 2019

9. Die "Parcours"-Installationen im Stadtraum

Auch wenn die Art Basel zu den schicksten Messen der Welt gehört: Wie sehr überfüllte Kojen und luftarme Hallen selbst guter Kunst schaden können, merkt man erst, wenn man sich auf Skulpturenjagd im Basler Stadtraum begibt. Auf der "Parcours"-Runde um den schrecklich schönen Münsterplatz schärfen sich die betäubten Sinne wieder, wenn man nach den Abweichungen im Stadtbild sucht. Sehen diese Bronzeskulpturen neben dem Münster nicht ein bisschen zu neu aus? Sind das gepiercte Fragezeichen? Und ist die Katze mit Hipster-Outfit im Naturhistorischen Museum jetzt Kunst oder Kinderbelustigung? (Spoiler: Kunst)

Besonders organisch fügt sich die Fliesenarbeit von Matias Faldbakken in den Basler Alltag ein. Er bespielt ein Schwimmbad und einen Basketballplatz direkt über dem Rhein. Wenn Schwimmkurs ist, muss die Kunstwelt diskret den Rückzug antreten.

"Parcours" 2019: Skulpturen von Camille Henrot auf dem Münsterplatz in Basel
Foto: Saskia Trebing

"Parcours" 2019: Skulpturen von Camille Henrot auf dem Münsterplatz in Basel