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9 Filme, die Sie im Dezember sehen sollten

Das Haus "Fallingwater" bei Pittsburgh, das wohl bekannteste Wohnhaus des Architekten Frank Lloyd Wright, wird in der Dokumentation "Phönix aus der Asche" vorgestellt
Foto: Frank Lloyd Wright Foundation

Das Haus "Fallingwater" bei Pittsburgh, das wohl bekannteste Wohnhaus des Architekten Frank Lloyd Wright, wird in der Dokumentation "Phönix aus der Asche" vorgestellt

Die Filme im Dezember blicken auf Anfänge: Die Gründung der Black Panthers, die frühen Jahre der Clubkultur und den unebenen Weg, auf dem Frank Lloyd Wright zu einem der berühmtesten Architekten der Welt wurde   

 

Die Geschichte der Black Panthers 

Die sehenswerte Ausstellung "1 Million Rosen für Angela Davis" im Dresdner Lipsiusbau ist wie alle anderen musealen Kunstschauen bis mindestens zum 20. Dezember geschlossen. Über eines der historischen Themen, das dort omnipräsent ist - die Geschichte der Black Panther Party und ihr Einfluss auf gegenwärtige Protestkulturen - kann man sich in der Zwischenzeit mit einer neuen zweiteiligen Dokumentation von Stanley Nelson informieren. Die Schwarze Bürgerrechtsbewegung, mit der auch die Philosophin und Aktivistin Angela Davis assoziiert war, veränderte ab den späten 1960er-Jahren alle Bereiche der US-amerikanischen Gesellschaft - von der politischen Kultur über die politisierte Mode bis zur Popkultur. Auch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler wie Arthur Jafa oder Sadie Barnette untersuchen das Erbe der Panthers-Bildkulturen. 

Im Film erinnern sich Gründungsmitglieder, wie sich der Kampf gegen Rassismus formierte und sich die Black Panther Party als militanter Arm der Bürgerrechtsbewegung positionierte. Die Bilder von gewaltsamen Ausschreitungen und exzessiver Polizeigewalt wirken dabei im Jahr der weltweiten "Black Lives Matter"-Proteste unheimlich aktuell.   

"Black Panthers", 2 Teile, Arte-Mediathek, bis 14. Oktober 2021

Filmstill aus der Dokumentation "Black Panthers" 
Foto: Arte

Filmstill aus der Dokumentation "Black Panthers" 


Gekühlte Gefühle im Großmarkt 

An der schönen blauen Donau liegt der Großmarkt bestimmt nicht – der Schauplatz des deutschen Films "In den Gängen", mit dem der Berlinale-Wettbewerb 2018 ausklang. Eher irgendwo in Brandenburg. Doch Johann Strauss’ Donauwalzer und sanfte Kamerafahrten verwandeln die erste Szene in ein Gabelstaplerballett – in Erinnerung an den berühmten Raumschifftanz in "2001 – A Space Odyssey". Die Musik, die bei Kubrick das Weltall anwärmte, hilft in Thomas Stubers ("Teenage Angst", "Herbert") Film über die Ödnis der Lebensmittelregale und Tiefkühltruhen hinweg. Zur Nachtschicht schickt der Marktleiter klassische Klänge über die Lautsprecher, und am Ende der Arbeitszeit schüttelt er jedem Kollegen die Hand.

Christian (Franz Rogowski) fängt neu im Großmarkt an, ein blasser, stiller Typ, der sich aber schnell in die Arbeitsumgebung eingewöhnt. Bruno (Stefan Kurth) aus der Getränkeabteilung trainiert mit ihm das Gabelstaplerfahren, wird ihm ein väterlicher Freund. Nur die flirtfreudige "Süßwaren"-Marion (Sandra Hüller) bringt den jungen Mann aus dem Takt. Christian verliebt sich, was beim Üben mit dem Gabelstapler eher hinderlich ist.

Der Film demonstriert die Kunst des Weglassens. Informationen darüber, wo die Figuren herkommen, was sie außerhalb ihrer Arbeitszeit tun, wird in kleinen Dosen mitgeteilt. "In den Gängen" ist auch ein – nirgendwo ostalgischer – Film über die DDR, und was vom Arbeiterglück übrig blieb, als aus Arbeitern mit der Wende Konsumenten wurden. Es ist aber auch ein Film über das Träumen, die Sehnsuchtsräume und Fantasiereisen. Liebe ist möglich und unmöglich zugleich, im Großmarkt wie in der weiten Welt da draußen.

"In den Gängen", Arte-Mediathek, bis 10. Februar 2021

© Sommerhaus Filmproduktion / Anke Neugebauer
© Sommerhaus Filmproduktion / Anke Neugebauer
Sandra Hüller und Franz Rogowski in Thomas Stubers "In den Gängen"

 

Der Strudel der Bilder bei der Schirn 

Vielleicht wünschen sich der eine oder die andere gerade einen "Escape-Button" für den Pandemie-Winter. Auf der Website der (derzeit geschlossenen) Kunsthalle Schirn in Frankfurt haben die Künstler Jonas Lund und Gabriel Lester einen solchen verführerisch glitzernden Knopf installiert, der die Betrachter in einen endlosen Videostrudel zieht. Die Intervention (inklusive einer penetranten digitale Fliege, die die User wie eine spionierende "fly on the wall" verfolgt) gehört zur Ausstellung "We Never Sleep". Darin geht es um den Einfluss von Spionagetechniken auf die zeitgenössische Kunst. Wer den "Escape"-Button drückt, kann Videos über die Kunst des Verkleidens, Make-up gegen Gesichtserkennung oder Werbung für eine diskrete Überwachungskamera für den Privatgebrauch schauen - oder auch gebannt dabei zusehen, wie ein winziger Hund eine Ganzkörpermassage genießt.   

Jonas Lund und Gabriel Lester "The Fly On The Wall", Schirn Website

Der "Escape"-Button auf der Website führt in den Video-Strom
Foto: Screenshot Courtesy Schirn

Der "Escape"-Button auf der Website der Schirn führt in den Video-Strom


Kunstschätze in Gefahr 

Wenn man sich fragt, an welchem Ort Kunstwerke am sichersten sind, landet man - trotz einiger spektakulärer Fälle von Diebstahl und Vandalismus - ziemlich schnell bei Museen. Doch auch dort ist beiweitem nicht alles gesichert und wohltemperiert. Von den oft riesigen Objekt-Beständen in deutschen Sammlungen wird nur ein Bruchteil gezeigt, die überwiegende Mehrheit lagert in Museumsdepots. Dass die Bedingungen dort alles andere als ideal sind, zeigt die Dokumentation "Bedrohte Schätze im Museum" von Frank Vorpahl. Dort wird der massive Überschuss an Artefakten in westlichen Museen als Ergebnis einer kolonialen Sammelwut interpretiert. Diese führte dazu, dass die Ressourcen fehlen, um die Objekte angemessen zu pflegen - in der Dokumentation, in der Vorpahl Museumsleute und Experten zu Wort kommen lässt, ist unter anderem die Rede von Feuchtigkeit und Schädlingsbefall. 

Diese Befunde sind besonders brisant, weil schlechte Lagerungsbedingungen in Deutschland die Frage noch drängender machen, warum beim Thema Restitution von Kunstwerken an Herkunftsgesellschaften immer noch so stark gemauert wird. Auch dieses Thema greift der Film auf - und versucht aufzuzeigen, wie alle Seiten von mehr Kollaboration und Transparenz profitieren können.

"Bedrohte Schätze im Depot", 3-Sat-Mediathek, bis 28. November 2021

Der Ethnologe Andreas Schlothauer 
Foto: Courtesy ZDF und Jürgen Dombrowski

Der Ethnologe Andreas Schlothauer 

 

Radikale Discos gegen das Raveweh

Es gibt ein Wort, das die Sehnsucht nach Tanzen beschreibt: "Raveweh". Bis wir wieder in verschwitzten Mengen vor den Boxen stampfen können, wird es noch dauern. Warum bis dahin nicht mal das historische Disco-Wissen aufpeppen? Die Dokumentation  “Radical Disco” sucht nach den Spuren von Diskotheken der 1960er-Jahre. Der Fotograf Antonio Grotta streift durch verfallene Nachtclubs und holt die Geschichte der “Traummaschinen” hervor.
In den frühen Diskotheken verschwommen die Grenzen zwischen Kunst und Leben. Clubs sollten Gesamtkunstwerke sein, die mit neuen Möglichkeiten von Licht und Ton arbeiten. Wandbilder schmückten die Innenräume, neue Lichtmaschinen wurden erfunden, und die Künstlergruppe Zero entwarf das Raumkonzept für die Disco Creamcheese in Düsseldorf. Leider wird das Raveweh von der Dokumentation überhaupt nicht besser, eher schlimmer.

"Radical Disco - Die frühen Jahre der Clubs", ZDF-Mediathek, bis 11. Februar 2021

"Radical Disco", Filmstill
Foto: ZDF

"Radical Disco", Filmstill

 

Was haben diese Feministinnen gedacht?

“Sie sehen frei aus, man will so sein wie sie!” - Die Fotografin Cynthia MacAdams hielt die zweite Welle der Frauenbewegung in Porträts fest und schuf so das 1977 erschienene Fotobuch "Emergence". Sie fand, dass Frauen durch ein neues feministisches Selbstbewusstsein anders aussahen und freier und stärker auftraten. Sie versuchte, dieses Lebensgefühl in schwarz-weiß auf Fotopapier festzuhalten. Die Dokumentation “Feminists - What were they thinking” begibt sich ausgehend von der Ausstellung “Cynthia MacAdams: Feminist Portraits 1974-1977" in der Stephen Kasher Gallery, die eine Auswahl aus "Emergence" zeigt, auf eine Reise in die Vergangenheit. Sie lässt die Fotografin sowie andere Zeitzeuginnen wie Judy Chicago, Jane Fonda und Phyllis Chesler zu Wort kommen. Die Dokumentation sucht nach dem Lebensgefühl der feministischen Bewegung der 1970er-Jahre und zeigt auf diesem Weg, wie nötig politischer Aktivismus immer noch ist - und wie viel wir von diesen Frauen lernen können.

“Feminists - What were they thinking”, Netflix 

"Feminists, What Were They Thinking?", Filmstill
Foto: Netflix

"Feminists, What Were They Thinking?", Filmstill


Gewichtheben gegen das Verschwinden

Erinnert sich noch jemand an die Olympischen Spiele in Rio? Es ist ein wiederkehrendes Phänomen, dass Städte und Regionen vor dem Mega-Event gigantische Investitionen tätigen, nach den Spielen der erhoffte Wirtschaftsimpuls jedoch ausbleibt und die Sportstadien zu modernen Ruinen werden. Vor diesem Hintergrund wirkt es noch gravierender, dass in Rio de Janeiro schon schon vor Olympia 2016 ganze Stadtteile planiert wurden, um Platz für Sportstätten zu schaffen. In der Favela Vila Autódromo mussten tausende Familien ihre Häuser verlassen. Der brasilianische Künstler Igor Vidor hat den Prozess begleitet und mit den Anwohnern Performances entwickelt, um sich mit diesen Filmdokumenten gegen das Verschwinden zu wehren. Dabei verblasst die Kraft sportlicher Körper jedoch im Wettstreit mit den gnadenlosen Baumaschinen. Zu sehen ist Vidors Film "v.a. 4598 (Rio Olympics)" zusammen mit anderen Video-Kunstwerken im virtuellen IBB-Videoraum der Berlinischen Galerie. 

Igor Vidor "v.a. 4598 (Rio Olympics)", virtueller IBB Videoraum, Berlinische Galerie 

 

Der Club kommt ins Museum

Wer zeitgenössische Musik den Disco-Tunes der 60er und 70er vorzieht, kommt im Hamburger Bahnhof auf seine/ihre Kosten. Zwischen den Farbflächen von Katharina Grosse tanzen, mit den Fotografien von Michael Schmidt plaudern - das ist ab 3. Dezember digital möglich. In Zusammenarbeit mit dem Club-Rettungsprojekt "United We Stream" und dem Berliner Musik Label Duat Records lässt das Museum seine Hallen mit Bass erbeben. Das Event wird von der “Volkswagen Art4All Online Edition” organisiert und ermöglicht den Musiker*innen Frankie Cello, Franziska Aigner, dem Duo Atelier, den DJs Sven von Thülen, Tama Sumo und Lakuti Auftritte in den verschiedenen Sonderausstellungen des Museums. Hier kommt nicht die Kunst in den Club, sondern der Club ins Museum - und wer weiß, vielleicht raven wir ja irgendwann wirklich im Hamburger Bahnhof.

"Blaue Stunden. Hamburger Bahnhof x United We Stream", online verfügbar ab Donnerstag, 3. Dezember

Der Hamburger Bahnhof zur Blauen Stunde
Foto: David von Becker / Staatliche Museen Berlin

Der Hamburger Bahnhof in Berlin mit dem berühmten Lichtkunstwerk von Dan Flavin


Frank Lloyd Wright als Phönix 

Die Entwürfe des US-Architekten Frank Lloyd Wright (1967-1959) sind dafür bekannt, sich harmonisch in ihre Umgebung einzufügen. Wie "Fallingwater", das wohl bekannteste seiner Wohnhäuser bei Pittsburgh, das über einem Wasserfall gebaut ist, oder sein langjähriger Wohnsitz Taliesin, der sich an die Hügel in Wisconsin schmiegt. Wright verfolgte zeitlebens eine Idee von organischer Architektur. Der rationale internationale Stil war ihm so verhasst, dass er lästige Fliegen, die ihn in seinem Atelier störten, angeblich "Gropius", "Le Corbusier" oder "Mies" nannte. 

Sein Leben verlief jedoch alles andere als harmonisch, wie die Dokumentation "Der Phönix aus der Asche" in Erinnerung ruft. Wrights Biografie ist geprägt von seinen beruflichen Erfolgen, aber auch von gesellschaftlicher Ächtung und Schicksalsschlägen. So verließ er seine erste Ehefrau, um mit einer verheirateten Auftraggeberin zusammen zu sein - zu seinen Lebzeiten ein Skandal, der von der Presse ausgeweidet wurde. 1914 wird die Übersetzerin Mamah Borthwick von einem Hausangestellten getötet, der auch noch das Anwesen Taliesin niederbrennt, das Wright für sich und Mamah gebaut hatte.

Immer wieder muss der Architekt Neues aus Trümmern erschaffen. Schließlich bringt ihn seine Architekturschule in die Position eines verehrten Lehrers, der er immer sein wollte. Die Dokumentation nähert sich Wright mit Empathie, behält aber eine kritische Distanz und thematisiert auch seine Rücksichtslosigkeit gegenüber seiner ersten Familie und die Sucht nach Aufmerksamkeit. Zu Wort kommen unter anderem der Autor T.C. Boyle, der in einem Wright-Haus in Kalifornien lebt, eine ehemalige Assistentin und ein Enkelsohn.    

"Frank Lloyd Wright - Der Phönix aus der Asche", Arte-Mediathek, bis 21. Dezember

 

Architekt Frank Lloyd Wright (1867-1959)
Foto: CC via Wikimedia Commons

Architekt Frank Lloyd Wright (1867-1959)