"Ego Update" in Düsseldorf

Like mich – oder ich beiße

Bei knipsenden Besuchern verstehen Ausstellungshäuser eher wenig Spaß. Nun lässt das Düsseldorfer NRW-Forum 23 Künstler der Selfie-Mode auf die Spur kommen

Die Wächter des Tempels der Kunst mögen sich noch so sehr um die Sicherheit und die Deutungshoheit in ihren heiligen Hallen bemühen, indem sie ein striktes Selfiestick-Verbot aussprechen, spätestens mit der Mode des #artselfie hat sich das digitale Selbstporträt der Museen bemächtigt. Schnell ist der Arm in einem unbeobachteten Moment ausgestreckt, der Auslöser gedrückt und das Selbstbildnis mit einem Kunstwerk im Hintergrund in den sozialen Medien verbreitet.

Einer umfassenden institutionellen Aufarbeitung des Themas hat sich nun Alain Bieber, Jahrgang 1978, für seine erste Schau als neuer künstlerischer Leiter des NRW-Forums Düsseldorf angenommen. Düsseldorf ist als Geburtsort der Becher-Schule nicht mehr nur ein Zentrum der künstlerischen Fotografie, vergangenes Jahr wurde die Stadt vom "Time Magazine" nach einer Auswertung der Instagram-Bildbestände zur deutschen Selfie-Zentrale gekürt. Höchste Zeit, Düsseldorf mit der Gruppenausstellung "Ego Update" und der Frage nach der Zukunft der digitalen Identität einen weiteren Schubs in Richtung neuer Medienwirklichkeit zu geben.

Mit kunstgeschichtlichen und theoretischen Fragen zum Themenkomplex Selfie hält sich die Schau nicht auf, sondern stellt 23 nationale und internationale Positionen zur Diskussion. Das "Selfing" über das Smartphone mit all seinen Genres wie dem Melfie, Relfie, Welfie, Legfie und Belfie mag vielleicht Ausgangspunkt der Überlegungen gewesen sein, in der Ausstellung selbst findet sich aber viel mehr. Künstler wie Erik Kessels, Dafna Maimon, Guido Segni, Robbie Cooper, Florian Kuhlmann oder Amalia Ulman spielen die verschiedensten Aspekte des Ichs in der digitalen Ära durch, vom Avatar bis zur ganz realen Inszenierung der täglichen Bilderflut in Großinstallationen.

Da das Selfie Sinnbild für Narzissmus und Selbstinszenierung der Generation Instagram ist, als Foto im digitalen Raum aber nur eine geringe Halbwertszeit hat, wird es in Form einer Bronze des deutschen Rappers MC Fitti in typischer Selfiepose samt seinen Markenzeichen Baseballcap, Sonnenbrille, Vollbart der Nachwelt überliefert: Größenwahn und Selbstironie treffen aufeinander, wenn der Rapper als Ausstellungsort für das vermeintliche Heiligtum eine Kapelle vorsieht und Andacht statt Beiläufigkeit einfordert. In profanere Gefilde führen die sogenannten Affenselfies, die einen Kampf ums Bild auslösten. Ein Schopfaffenweibchen entwendete 2011 dem Fotografen David Slater seine Kamera und schoss breit grinsend ein Selbstporträt – worauf gleich eine Urheberrechtsdebatte folgte.

Wenn Alison Jackson Selfies mit Doppelgängern von Celebritys inszeniert oder Heather Dewey-Hagborg als Vertreterin der Information-Art mittels gefundener DNA computergenerierte 3-D-Porträts herstellt, ist die Moral klar: Weder Hard- noch Software sind im digitalen Zeitalter sicher, und Bildern ist schon gar nicht zu trauen. Das ist keine neue Erkenntnis, ganz im Gegenteil. Aber die künstlerischen Positionen deklinieren stringent durch, wie es aussieht und was passiert, wenn ein Ich alles fotografiert, dokumentiert oder sich einfach nur in soziale Netzwerke begibt.