Frankfurter Biennale des bewegten Bildes

Und es bewegt sich doch

Mit Pauken und Trompeten begeht Frankfurt die erste Ausgabe eines Megaprojekts: eine Biennale des bewegten Bildes. Gemeint ist das im erschöpfenden Sinne. Kinofilme, Fernsehformate, Videokunst, Netzfilme, Games, Animationsfilme und anderes stehen im Programm. Es gehe um einen genreübergreifenden Dialog, sagt Leiter Bernd Kracke. Die Hochschule für Gestaltung in Frankfurts Nachbarstadt Offenbach, wo er Professor ist, veranstaltet die Biennale. Nachdem das Frankfurter Filmfestival „Edit“ nach 14 Jahren ausgelaufen war, habe man nach einem zeitgemäßen Konzept gesucht, das künstlerische, kulturelle und mediale Aspekte vereine, sagt Kracke. Das gibt es so tatsächlich noch nicht.

Ein Think Tank mit Kuratoren, Medienschaffenden, Künstlern, Wissenschaftlern und Ausstellungsmachern lieferte das Thema. Wie schon beim Festival „Kino der Kunst“, das dieses Jahr in München seine erste Ausgabe präsentierte, soll es um neue Formen des Erzählens gehen. Über 100 internationale Gäste sind geladen und mehr als 20 Frankfurter Ausstellungsorte beteiligen sich, darunter das Museum für Moderne Kunst, die Schirn Kunsthalle, der Frankfurter Kunstverein, das Deutsche Filmmuseum und Galerien. Zwischen den Biennale-Jahren abgehaltene Summer Schools sollen künftig Themen produzieren.

Drei Sektionen strukturieren das ehrgeizige Programm. Das „Festival“ beschäftigt sich unter anderem mit US-Serien wie „Breaking Bad“, untersucht Erzählformen von Videospielen und stellt neue Projektionstechniken jenseits der Leinwand vor, etwa Kuppelfilme, die über den Köpfen der Zuschauer mit einer 360-Grad-Sicht gezeigt werden. Der „Campus“ versammelt den Nachwuchs bei Workshops und Vorträgen, die US-amerikanische Künstlerin und Musikerin Laurie Anderson hält dort eine Masterclass. „Parcours“ heißt die Videokunst-Sektion, die durch die ganze Stadt führt und Querverbindungen zwischen den Genres liefert.

In der Hauptausstellung im Atelierfrankfurt zeigt Kuratorin Anita Beckers 13 zeitgenössische Positionen. Bjørn Melhus, der Humorist der deutschen Videokunst, ist mit der Arbeit „The Oral Thing“ aus dem Jahr 2001 vertreten. Darin persifliert er Daytime-Talkshows und schlüpft in die Rollen von Menschen, die im Fernsehen mit intimen Geständnissen die Hosen runterlassen. Erstmals in Deutschland präsentiert Robert Mosse seine Installation „The Enclave“, mit der er bei der Biennale in Venedig gerade den irischen Pavillon bespielt. Mit einer einst vom Militär eingesetzten Infrarot-Filmtechnik hat er Landschaften im krisengeschüttelten Kongo gefilmt. Es ist eine Auseinandersetzung mit medialen Ästhetiken der Erfassung von Wirklichkeit. Deutschlandpremiere hat auch eine neue Zwei-Kanal-Installation von Candice Breitz. Für „Treatment“ extrahierte sie Szenen aus David Cronenbergs Horrorfilm „The Brood“ aus dem Jahr 1979. Zu sehen sind Gespräche zwischen einem Psychotherapeuten und seinen Patienten, daneben ihre Eltern und Breitz selbst beim Einsprechen eines Dialogs, der die Original-Tonspur überlagert.

Für die Ausstellung „Fassbinder – Jetzt, Film und Videokunst“ im Deutschen Filmmuseum beziehen sich Videokünstler wie Jesper Just oder Ming Wong (ein Porträt des Künstlers finden Sie in unserer Oktober-Ausgabe) auf Werke des deutschen Autorenfilm-Königs Rainer Werner Fassbinder, spielen Szenen nach, verfremden sie, zitieren sie. Daneben laufen Ausschnitte aus Fassbinders Oeuvre. In der Schau „Per Speculum Me Video“ im Frankfurter Kunstverein entwerfen Videokünstler Selbstbildnisse, eine Reaktion auf die exzessiv betriebene „Selfy“-Kultur, also die Verbreitung digitaler Selbstporträts in Social-Media-Plattformen. Der Portikus zeigt Arbeiten von Filmkünstler Michel Auder, den Artist-Talk übernimmt Städel-Professor Douglas Gordon.

Zahlreiche Panels begleiten die Ausstellungen, Jesper Just wird sich etwa mit Lars Henrik Gass, dem Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, darüber unterhalten, ob Videokunst dem Film das Kino streitig machen kann. Nach einem neuen Kino wolle die Biennale suchen, verlautet das Programm. Die Kunst soll dabei helfen. Die Biennale ist Symptom des Bedürfnisses, nach über 100 Jahren Bewegtbild-Evolution Bilanz zu ziehen und weiterzudenken. Die Ausstellungen laufen nach den fünf Biennale-Tagen weiter, man wolle nicht nur ein kurzes und heftiges Feuerwerk, sagt Kracke. Die B3 Biennale könnte zum wichtigen Termin im deutschen Kunstkalender werden. Mal sehen, was bleibt, wenn die Raketen und Knaller ausgeglüht sind.

B3 Biennale des bewegten Bildes, 30. Oktober bis 3. November 2013, Eröffnung am 29. Oktober, ab 17 Uhr