Ein Abend für Schlingensiefs Operndorf

Der erste Schrei

Ein Zahnarzt, in einer Klinik, modern ausgestattet, mitten in der Steppe eines der ärmsten Länder der Welt? Unerhört. Und doch gibt es ihn, und er zeigt in einem Film, aufgenommen von Dorfkindern, greisen Patienten, wie man eine Bürste richtig führt. Das im Juni nahe Ouagadougou eröffnete Krankenhaus ist Realität – so, wie es sich Christoph Schlingensief, zu sehen in einer Filmeinspielung, einst erträumt hat. "Der Schrei eines neugeborenen Kindes, hat Christoph gesagt, ist schöner als jeder Operngesang", so Aino Laberenz, die Frau des 2010 verstorbenen Künstlers, die an diesem Abend gemeinsam in Berlin mit Kunst-Impresario und Anwalt Peter Raue zu einem geselligen Dinner für das Operndorf geladen hatte. An dem auch das Bewusstsein dafür geschärft werden sollte, dass diese visionäre Wirklichkeit in Burkina vier Jahre nach Schlingensiefs Tod Unterstützer benötigt, um weiterleben zu können.

Und Unterstützer kamen: sowohl Bundespräsident a.D. Horst Köhler, Sammler und Mäzen Arend Oetker als auch Kulturmanagerin Benita von Maltzahn, die Schauspielerinnen Fritzi Haberlandt und Friederike Kempter oder Fotograf Andreas Mühe. Die gut 150 Gäste speisten zunächst burkinisch (Catering: Katz Orange), bevor Max Raabe die Bühne betrat und das Wunderliche geschah: Die Schinkelsche Architektur, brillant ergänzt um Gregor Hildebrandts schwarz schimmernde Vorhänge aus Tausenden Metern von VHS-Bändern, bespielt mit Schlingensiefs Filmen, die wiederum auf Bildschirmen und in der Kirchenapsis zu sehen waren -, sowie die Gassenhauer der 20er und 30er, gesungen von Max Raabe, ergänzten sich zu einem glanzvollen Gesamteindruck, der nur noch gesteigert wurde durch den als Giveaway verteilten Duft vom Atelier Mallon, der den ortstypischen Odeur von Ouagadougou einfangen soll und der von ersten Testern als "ledrig, aber auch zitronig" beschrieben wurde.

Schlingensiefs Idee: nicht "Entwicklungshilfe" betreiben, sondern die Kultur vor Ort erst entstehen lassen – sie wurde an diesem Abend einmal mehr sinnfällig in Szene gesetzt.