Neu im Kino: "Die Frau in Gold"

Der süß-saure Ballast der Erinnerungen

Dem Restitutionsdrama "Frau in Gold" fehlt es vor lauter Pädagogik an goldenen Momenten

Immer wenn Helen Mirren ihren Blick nach innen richtet, taucht sie im Körper der jungen Maria Altmann wieder auf die Oberfläche ihrer quälenden Flashbacks auf. Die Tochter einer großbürgerlichen Familie wächst im Wien der Vorkriegszeit privilegiert auf. Die Wände der langläufigen Wohnung schmücken Gemälde alter Meister, in jeder Ecke stehen Antiquitäten. Ihre Tante Adele Bloch-Bauer, bei der sie als kleines Kind oft zu Besuch ist, glänzt als Königin der Salons. Sie weiß progressive Künstler zu schätzen. Weswegen auch ihr Mann, der Zuckerbaron Ferdinand Bloch-Bauer, sie 1907 von Gustav Klimt porträtieren lässt. Und das nicht nur einmal.

 "Woman in Gold", die Verfilmung der Prozess-Geschichte der authentischen Maria Altmann, beginnt mit einer dieser Porträtsitzungen. Der britische Regisseur Simon Curtis ("My Week With Marylin") müht sich sichtlich, die Entstehung der "Mona Lisa von Österreich" mit reichlich Blattgold in Großaufnahme mythisch aufzuladen. Ein süßes Hors d´oeuvre, das schnell im Verdauungstrakt der sich übersäuernden Historie zermalmt wird. Maria kann gerade noch ihre Hochzeit mit einem Opernsänger nach jüdischem Brauch feiern, als die Nazis alles Hab und Gut ihrer Familie konfiszieren. Dazu gehört auch das Diamantencollier, das Adele auf dem berühmten Klimt-Bild trägt. Es landet dank des beschwingten Zugriffs von Reichsmarschall Hermann Göring am Hals seiner Frau Emmy.

Marias Flucht in die USA schmückt die Hollywood-Dramaturgie eher routiniert-emotional als wirklich mitfühlend aus. Helen Mirren sitzt schon im Hauptstrang in den Startlöchern, um ihre glamouröse Tante nachträglich aus den gierigen Klauen der Alpenrepublik zu befreien. 1998 findet sie Briefe ihrer verstorbenen Schwester, denen sie entnimmt, dass sie die rechtmäßige Erbin mehrerer Gemälde Klimts ist. Nach der Vertreibung ihrer Familie wurden diese ins Belvedere gebracht. Sie klagt vor dem Obersten Gerichtshof. Angeregt durch die Beschlagnahmung von zwei Schiele-Bildern aus der Sammlung Leopold 1997 in New York, die unter dem Verdacht der Raubkunst standen. Der Justiz-Krimi nimmt mehr oder weniger faktentreu seinen Lauf.

Der unerfahrene, aber loyale Anwalt Randy Schoenberg, Enkel des Wiener Komponisten Arnold Schönberg, unterstützt Maria im Kampf gegen den österreichischen Staat. Die kompromissunwilligen Behörden mauern und tricksen, interpretieren Testamente zu eigenem Vorteil um, trotz eines vorhandenen Restitutionsgesetzes, das die Rückgabe eigentlich erleichtern sollte. Erst 2006 spricht ein Schiedsgericht Altmann die Gemälde zu.

Die juristischen Etappen des dornigen Wegs zur Wiedergutmachung werden solide und ausführlich abgehandelt. Die wunderbare Helen Mirren überbrückt manch einen Spannungsnotstand mit Distanz schaffendem Humor, muss aber auch Daniel Brühl, der den Part von Hubertus Czernin, einem behilflichen Wiener Journalisten und zugleich Sohn eines Nazis übernommen hat, immer wieder in pathetischen Dialogen seine menschlichen Qualitäten attestieren, als wäre die Aufteilung in Gut und Böse nicht längst überdeutlich vollzogen.

Die Regie kollabiert regelrecht vor dem Ballast des prekären Themas und traut sich vor lauter Pädagogik keinerlei originelle Entscheidungen in Sachen Handlungsführung oder inszenatorischer Raffinesse zu treffen. Das ist bedauerlich. Denn einer albtraumhaften Zeitgeschichte wird man im Kino wohl kaum auf dem Niveau einer publikumsschonenden TV-Produktion gerecht. Nächster Fall, bitte. Cornelius Gurlitt wartet schon.