Fotograf Mohamad Al-Roumi

"Es gibt in Syrien keine Freiheit"

Mohammad Al-Roumi, Sie kommen aus einem Krisengebiet und riskieren viel, um Ihre Fotos zu machen. An wen richten sich die Bilder?
Sie zeigen einfache Menschen, die zwar nicht im Zentrum stehen, aber die Basis der Gesellschaft sind. Alle meine Energien und mein ganzes Interesse richten sich auf diese Familien.

Kennen Sie die Porträtierten persönlich?
Ja, ich mache keine Bilder aufs Geratewohl. Ich gehe erst hin und unterhalte mich.

In welchen Situationen entstehen die Aufnahmen?
Normalerweise trage ich die Kamera nicht ständig mit mir herum, auch wenn es auf den Fotos manchmal so wirken mag. Wenn ich mich entscheide, Fotos zu machen oder einen Film zu drehen, dann versuche ich Ideen damit auszudrücken. Ich habe zwei Jahre in Damaskus verbracht, und es war sehr interessant, die Menschen zu beobachten. Also entschied ich mich, Fotos zu machen. Ich fuhr zurück und machte die Aufnahmen, was die Menschen anfangs erstaunte. Bei Filmen funktioniert es genauso.

Sehen Sie sich selbst als Reporter oder als Künstler?

Ich sehe mich auf keinen Fall als Reporter. Das kann man schon an meinem Hintergrund erkennen: Ich war Maler und habe mich dann zum Fotografen weiterentwickelt. Ich nehme mir vor, einen bestimmten Ausdruck in meinen Bildern zu vermitteln. Und dann ziehe ich mit meiner Kamera los und versuche genau das zu finden, wonach ich suche.

Wie viel Meinungsfreiheit gibt es in Syrien?

Es ist furchtbar, es gibt keine Freiheit. In einem freien Land haben Künstler das Recht, sich selbst auszudrücken und mit anderen darüber zu sprechen. Aber in Syrien ist das zurzeit nicht der Fall. Die Menschen haben Angst vor der Regierung und vor Gewalt.

Was würde passieren, wenn Sie etwas veröffentlichen, was nicht den Vorstellungen des Regimes entspricht?

Die würden mich stoppen. Ich war ja auch im Gefängnis. Aber das ist eigentlich nicht das Thema. Du findest einfach einen Weg, dich auszudrücken.

Wieso waren Sie im Gefängnis?

Ich weiß nicht genau. Ich habe Sachen gemacht, die nicht den Vorstellungen der Regierung entsprechen.

Zum Beispiel?
Demonstriert.

Ist es gefährlich, in Syrien Fotos zu machen?
Es gibt viele, die Fotos mit ihrem Handy machen. Manche von ihnen werden dann sogar erschossen oder kommen auch ins Gefängnis. Die Menschen in anderen Ländern haben oft gar keine Idee davon, wie das Regime wirklich ist. Sie schreiben, es ist modern und die Lage hat sich geändert. Das stimmt nicht. Deshalb habe ich mich entschieden, Interviews zu geben und darüber zu sprechen.

Würden Sie sagen, Europäer wissen genug über die Ereignisse?
Nein. Es ist nicht die Schuld der Europäer, es ist unsere. Wir müssen nach draußen gehen und mit den Menschen über unsere Revolution sprechen. Wir müssen Nachrichten in die Welt schicken, auch wenn es nicht leicht ist. Wir müssen die bürgerliche Gesellschaft dazu bringen, mit uns diesen Weg zu gehen. Wir müssen alle zusammen für unsere Interessen kämpfen.

Welche Rolle spielt Schönheit in Ihren Bildern?

Schönheit ist relativ. Jedes der Bilder trägt seine eigene Schönheit in sich. Wichtig ist, dass man mit den Bildern etwas transportiert, was bei den Menschen ankommt. Das führt dann zum Erfolg.

Warum haben Sie die Fotografie als Medium gewählt?
Ich kam per Zufall zur Fotografie. Viele gehen nach dem Studium an eine Schule und unterrichten dort, aber ich fand keine Anstellung. Also musste ich mir etwas Neues suchen. Ein Freund bat mich dann, für ihn zu fotografieren. Für mich war es das erste Mal, dass ich eine Kamera in die Hand nahm, aber es war wie eine Erleuchtung. Ich spürte, dass es das Richtige war.

Würden Sie denn sagen, dass sich Ihre Arbeit durch die Ereignisse in Ihrem Heimatland geändert hat? Sind Sie ängstlicher geworden?
Ich glaube, dass die Revolution mir neue Ausdrucksmöglichkeiten eröffnet hat. Das ist auch bei vielen anderen Künstlern meines Landes so.

Meine letzte Frage an Sie: Was ist Kunst?

Kunst ist eine besondere Sprache. Malerei, Film, Fotografie. Es ist ein Weg, sich auszudrücken. Kunst hat ihre eigenen Buchstaben, und es ist schwer, sie zu beherrschen und sich mit ihrer Hilfe auszudrücken. Aber wenn man sie beherrscht, hat man die Macht, andere Menschen durch sie in seinen Bann zu ziehen. Man lädt sie mit Hilfe dieser Sprache in sein Werk ein und nimmt sie mit in eine andere Welt.

Arbeiten von  Mohammad Al-Roumi sind bis zum 18. August in der Ausstellung  „KunstStoff Syrien - Ein - und Ausblicke in ein zerrissenes Land" in der Galerie Forum Factory in Berlin zu sehen