Fotoserie

Suche nach Orientierung

Die Bilderserie "Blind Spots“ von Balder Olrik sucht die unbemerkten Ecken unserer alltäglichen Umgebung. Seine Arbeit ist eine Studie über Wahrnehmung

In einen pink gekachelten Raum hat sich ein rosa Quadrat geschoben. Es steht unifarben und stoisch am unteren linken Bildrand. Anhand der gefliesten Wände und Spiegel lässt sich nur erahnen, dass es sich wahrscheinlich um ein Badezimmer handelt und sich an dieser Stelle Pissoirs oder Waschbecken befinden sollten. Ebenso irritierend wirken graue und schwarze Vierecke an einem Eckladen. Und was soll die orange Fläche unter der Brücke? Der dänische Künstler Balder Olrik manipuliert die Sehgewohnheit, indem er architektonische Details durch monochrome Flächen ersetzt. Das Auge sucht nach Halt. Die Konzentration ist erhöht.

Bei der Serie hat sich Olrik vor allem an dem Modell des Nobelpreisträgers und US-Psychologen Daniel Kahneman orientiert. Ausgangspunkt ist das schnelle, intuitive und emotionale Denken, das einem langsamen und reflektierten System gegenübersteht. Die Schlussfolgerung Kahnemans, auf welche sich Balder Olrik zu beziehen scheint: Der Mensch handelt überwiegend irrational, wenn es um die Wahrnehmung von zu oft Gesehenem geht. Um schnell zu handeln, entscheidet sich der Mensch intuitiv, übersieht dabei aber Besonderheiten. Erst durch Irritation wird das langsame Denken aktiviert. Gleichzeitig sucht der Mensch in befremdlicher Umgebung nach Orientierung, wodurch seine Aufmerksamkeit erhöht ist. Solange bis er Zusammenhänge erkennt.

Das Bedürfnis, genauer hinzuschauen

Die Fotos sind für Balder Olrik ein Experiment über das gewollte, bewusste und unbewusste Sehen. Auch in Farbigkeit und Bildkomposition ähneln die digitalen Fotografien in ihrer Kühlheit Laboren. Nicht immer ist die Manipulation offensichtlich. Doch die Raumkonzepte wirken fremd, sind oft von geometrischen Formen, Reihungen oder Spiegelungen geprägt. Die visuelle Suche nach Sinn führt zu Irritationen, die die Sensibilität bei den Betrachtern erhöhen. Das Nichtverstehen löst das Bedürfnis aus, noch genauer hinzuschauen. Es ist dieses Phänomen, das den ehemaligen Maler interessiert. Dennoch stellt sich dann die Frage, ob die Aufmerksamkeit konstant hoch bleibt, oder das Unerklärliche irgendwann seinen Reiz verliert.

Manche Hausfassaden, die von quadratischen Flächen durchzogen sind, erinnern an die Bauhaus-Ästhetik in trister Übersetzung. Eine symmetrisch-angelegte Tankstelle auf schwarzem Hintergrund ist grell erleuchtet, moderne Architektur ragt nüchtern in den Himmel  Szenen aus der Realität. Aber eben in leichter Abwandlung. Letztlich sind "Blind Spots" ein Appell, die Umwelt auch im Alltag bewusster wahrzunehmen.