Galerienrundgang in London

Ans Eingemachte

Auf dem exklusiven Pflaster rund um Piccadilly, Green Park und Pall Mall operieren die Londoner Top-Galerien mit allen architektonischen und ausstellungstechnischen Möglichkeiten, und es beeindruckt immer wieder vor allem der kuratorische Aufwand und die Qualität mit dem die Galerien aufwarten. Vier davon sind besonders aufgefallen.

Isa Genzkens umfangreiche Solo-Show in der Galerie Hauser & Wirth versammelt auf imposanten 1400 Quadratmetern Altes und Neues der deutschen Künstlerin, wohlkalkuliert zusammengetragen: Fotografie, Skulptur und Installation mit Betonung auf Oberfläche, Posen und Wow-Effekten. Genzkens Referenzmaterial aus Magazinen, Selbstporträts, Schnappschüssen von Freunden oder reproduzierten Ikonen der Kunstgeschichte wirken nicht einfach „dazugestellt“. Sie erklären und erweitern da, wo manche Arbeiten vage bleiben. Besonders deutlich wird dies bei der installativen Serie aus Nofrete-Büsten, an deren Sockel Abbildungen der "Mona Lisa" stehen, in denen Genzken ein Selbstporträt eingefügt hat. So verschränkt und manipuliert sie die Abbildungs- und Darstellungstradition weiblicher Ikonenbilder, in welche sie sich nicht ganz unironisch einordnet.

Die nächste Station ist nur wenige Meter entfernt. Bei Stephan Friedman Gallery findet zurzeit die zweite Einzelausstellung des brasilianischen Künstlers Tonico Lemos Auad statt. In den puristischen und gut ausgeleuchteten Räumen ruht ein großformatiger Kubus aus Ziegelstein – ganz solitär und ohne große Geste. An ihm hängen einzelne Fundstücke, etwa ein Seil oder eine Metallkette, die an die Verbundenheit zur brasilianischen Heimat des Künstlers erinnern und seinen kontemplativen Arbeiten von Auad einen würdigenden Bedeutungsraum verleihen.

Um die Ecke liegt die Londoner Zweigstelle der Galerie Sprüth Magers. Ähnlich wie bei ihrer aktuellen Ausstellung "Malerei der 80er" in Berlin, die vom Künstler Albert Oehlen kuratiert ist, hat die Galerie auch bei ihrer Gruppenschau „The Vivisector“ einen externen Kurator ins Boot geholt: Der New Yorker Todd Levine kontextualisiert zwei Werkgruppen von Cindy Sherman mit Arbeiten von Bruce Nauman, dem Fotografen Morton Barlett und dem Schriftsteller George Bataille. Der programmatische Titel „The Vivisector“, was sich als "Der Menschensezierer" übersetzen lässt, weist den Weg: Es geht ans Eingemachte, um obszöne und verstörende Momente. Shermans „Sex Pictures“ (1989-1992)zeigen aufgeschlitzte, geschändete Puppenkörper, geweitete Körperöffnungen und Genitalien bis hin zur Andeutung sexueller Gewalt. Reflektiert wird diese Körperlichkeit durch die abgedunkelten, teilweise fleischrot bemalten Ausstellungsräume. So fühlt man sich selbst wie im Inneren eines Körperorgans, was das Kunsterlebnis befremdlich steigert.

Weiter geht es dann Richtung Duke Street, wo in der Mason Yard Dependance der White Cube Gallery eine überraschende Einzelausstellung des Amerikaners Josian McElheny wartet. Im großen Raum des Untergeschoss liegt das Kernstück der Show „Interactions of the abstract Body“. Hier installiert McElheny eine Skulpturengruppe aus acht abstrakt-geometrischen Spiegelobjekten. Das Besondere: Diese sperrigen Formen werden abwechselnd von einem permanent anwesenden Tänzer als Kostüm übergestülpt. Die Bewegungen der Tänzer gehen dabei auf die Spiegel über, was für den Besucher zu einem multiperspektivischen Erlebnis der Ausstellungssituation führt.

Isa Genzken, Hauser & Wirth, London, bis 12 January 2013
Tonico Lemos Auad, Stephen Friedman Gallery, bis 19. Januar 2013
"The Vivisector" (Gruppenausstellung), Sprüth Magers, London, bis 26. Januar 2013
Josiah McElheny "Interactions of the Abstract Body",
White Cube Mason’s Yard, London, bis 12. Januar 2013