Ausstellung: George Widener in Berlin

Alles, was zählt

Die Ausstellungsreihe „secret universe“ geht über Grenzen, für manche sogar über die der Kunst. Ihr Thema ist das Schaffen von Outsidern, Savants, Menschen mit Inselbegabung und Asperger-Syndrom. Nach Morton Bartlett, dessen autodidaktisch entstandenen Puppenwelten von Künstlern wie Cindy Sherman verehrt werden, folgt nun eine Einzelschau von George Widener, einem 1962 in Kentucky geborenen high-functioning calendar savant, wie die medizinische Bezeichnung lautet.

Widener sammelt Daten seit seiner Kindheit, und er erkennt verborgene Muster darin, manchmal Botschaften. „Ich wurde am zweiten Donnerstag des zweiten Monats des zweiten Jahres der zweiten Dekade der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts geboren“, stellt er fest. „Ich brauche keine zweite Meinung, aber ich hätte nichts gegen eine zweite Chance.“ 2004 schlug er einen Computer der Nasa bei der Berechnung der Frage, auf welchen Wochentag der 25. Juni 47253 fallen wird.

Seine Welt ist unendlich, aber für Normalbegabte verschlossen. Durch die Zeichnungen wird sie zugänglich. Die Entsprechung der Donnerstage im Jahr 1881 und 8118 zum Beispiel oder seine Überlegungen zu Flugzeugunglücken an Sonntagen notiert er auf Servietten, die er zu Tableaus zusammensetzt. (Widener wuchs nicht gerade begünstigt auf, zeitweise hatte er kein Papier. Seitdem schätzt er die Textur von Papiertüchern.)

Botschaften für intelligente Maschinen der Zukunft

2045, hat George Widener errechnet, wird es intelligente Maschinen geben. In seinen Zahlenkolonnen hat er jetzt schon ein paar Botschaften für sie versteckt, an denen sie ihre Freude haben werden und die sie den Menschen gewogen machen sollen. Auch das ein Thema, das für Widener nicht einfach ist.

Als Teilnehmer einer Outsider-Schau in der Frankfurter Schirn wurde er gefragt, was denn an seinen Rechnungen Kunst sei. Widener, der das Berechenbare liebt, also Zahlen, und mit dem Unberechenbaren, also Menschen, eher Schwierigkeiten hat, sagte bescheiden etwas, das zugleich die müßige Frage nach den Grenzen beiseitewischt: „Das Bild zeigt eigentlich nur mich auf der Suche.“

„secret universe IV. – George Widener“, Hamburger Bahnhof, Berlin, 25. Januar bis 16. Juni