Filmarchitekt Ken Adam zum 100. Geburtstag

Wo bitte geht’s zum War Room?

Seine Szenenbilder für James Bond oder "Dr. Seltsam" schrieben Kinogeschichte und haben Ken Adam zum einzigen Produktionsdesigner gemacht, dessen Name und Arbeit weltweit bekannt ist

Es waren nur noch 450 Pfund im Budget, und Ken Adam musste sich schnell etwas einfallen lassen für die Szene im ersten Bond-Film, in der Dr. Dent (Anthony Dawson) eine Giftspinne in einem Käfig in Empfang nimmt, die 007 im Schlaf töten soll. "Ich denke, es ist eines meiner Lieblingssets, weil es so einfach und theatralisch ist", sagte der berühmte Filmdesigner später. Die Rede ist vom "Tarantula Room", der durch das große vergitterte Rund eines Lichthofs und den expressionistischen Schatten, der sich über Dr. Dent legt, selbst zum riesigen Käfig wird.

"I said yes to Dr. No, and thought I was prostituting myself", berichtete Adam, als er längst wusste: Seine Entwürfe für die 007-Filme ab "Dr. No" (1962) haben ihn zum einzigen Produktionsdesigner gemacht, dessen Name und Arbeit weltweit bekannt wurde. Von seinen insgesamt 74 Filmen waren es nur sieben Bond-Produktionen (bis zu "Moonraker", 1979), aber einige seine fantasievollsten Designs widmete er nun einmal dem Geheimdienst ihrer Majestät. Darunter nicht nur riesige Sets wie das realistische Fort Knox in "Goldfinger" und die Vulkanbasis in "Man lebt nur zweimal", sondern auch zahlreiche Gadgets, die vorgeblich aus dem Labor des Erfindungsbeamten Q stammen. In Wahrheit war es Adam, der Bonds Aston Martin mit versteckten Maschinengewehren, Reifenhäckslern und einem Schleudersitz ausstattete.

Bevor wir uns in kindlichem Staunen über 007-Spielzeug verlieren, dürfen wir den imaginären "War Room" eines von Peter Sellers kreierten US-Präsidenten – "Please, gentlemen, you can’t fight here, this is the War Room" – nicht vergessen. Adam hatte den Schauplatz für Stanley Kubricks "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" (1964) derart überzeugend gestaltet, dass Ronald Reagan sich beim Amtsantritt erkundigte, wo im Pentagon der Raum denn bitte zu finden sei! Für die Mitarbeit an einem weiteren Kubrick-Film, den von englischer Barockmalerei inspirierten "Barry Lyndon" bekam er 1976 einen seiner beiden Oscars. Allerdings war die Zusammenarbeit mit dem Perfektionisten Kubrick alles andere als einfach, wie Adam bis ins hohe Alter seufzte.

Zwischen Krieg und Filmgeschäft

Klaus Hugo Adam wurde am 5. Februar 1921 in Berlin geboren. Sein Vater besaß ein Modegeschäft, seine Mutter führte eine Pension. "Mein Hintergrund als Junge, der in Berlin mit Architekten wie Mies van der Rohe, Walter Gropius und Erich Mendelsohn aufwuchs, hatte offensichtlich einen gewissen Einfluss auf mich", erinnerte er sich, "Ich war von klein auf fasziniert von Formen, Licht und Schatten und großen Flächen". Weil die Adams Juden waren, mussten sie 1934 nach England fliehen, ab seinem 13. Lebensjahr ging Klaus in London zur Schule. Eine Begegnung mit Vincent Korda, einem aus Ungarn stammenden Filmarchitekten, ermutigte Adam zum Architekturstudium, dann wollte der junge Mann ins Filmgeschäft einsteigen, aber der Krieg unterbrach das Studium. Im "Pioneer Corps" der britischen Armee entwarf er Bombenbunker, dann wurde er bei der Royal Air Force Jagdflieger. 1945 heuerte er als Zeichner beim Film an, assistierte in der Design-Abteilung und wurde bei dem Abenteuerspektakel "In 80 Tagen um die Welt" 1956 dann selber zum Art Director, allerdings noch ohne Nennung im Abspann.

Adam arbeitete ab Ende der 1950er mit dem Produzenten Albert Broccoli zusammen, nach der Arbeit an "The Trials of Oscar Wilde" (1960) wurde er von Broccoli dann zum Bond-Einstieg "gezwungen". Der Rest ist Filmgeschichte. Mit 91 Jahren erklärte er gegenüber einem Journalisten: "Ich hatte eine gute Zeit mit den Bonds, aber sie waren eine enorme Belastung." Der zunehmend bedeutenderen Computergrafik begegnete er mit der Distanz des alten Handwerkers: "Es ist ein sehr nützliches und wunderbares Werkzeug, und es sollte als solches genutzt werden Nur nicht als Mittel zum Zweck. Wenn ein ganzer Film mit digitalen Effekten gemacht wird, weiß man, dass es künstlich ist, man vermisst die Realität der Sets und Drehorte".

2012 übergab Adam seine Sammlung der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen in Berlin; dort eröffnete Ende 2014 die Ausstellung "Bigger than Life. Ken Adam’s Film Design". Im Katalog schrieb Daniel Libeskind: "Auch wer Ken Adam nicht kennt, seine Geschichte, woher er kommt,  wo er war, was ihm und seiner Familie widerfuhr – man spürt, dass seine Filme ein Kryptogramm seiner Lebenserfahrungen sind und verspürt den Wunsch, mehr über diese Geschichte herauszufinden".

Aufwendige Produktionen 

Neben 007 und den Kubrick-Filmen prägte Adams letzte Arbeit als Production Designer die Schau: Für István Szabós "Taking Sides – Der Fall Furtwängler" (2001) hatte Adam die Aufgabe, ein in Trümmern liegendes Berlin zu rekonstruieren. Im Studio Babelsberg wurde ein riesiges Büro-Set errichtet, in dem Harvey Keitel als US-Major den Dirigenten Wilhelm Furtwängler (Stellan Skarsgård) verhört, dessen Verhalten in Nazideutschland noch heute diskutiert wird. Das Treppenhaus zum Büro fand Adam im Bode-Museum, und die Parochialkirche in der Klosterstraße wurde zur Kulisse eines mit Aktenregalen vollgestellten Archivs, das im Film in einer ehemaligen Synagoge verortet sein soll. Das zentrale Kruzifix wurde durch einen Davidstern ersetzt.

Zur Retrospektive reiste der betagte Sir Ken Adam (2003 von der Queen geadelt) im Dezember 2014 noch persönlich an. Am 10. März 2016 starb er in London. Heute wäre er 100 geworden. Was wäre das Kino ohne ihn?