Das Aufklärungsbuch "Make Love"

Keine Hochleistungsakte

Die Berliner Fotografin Heji Shin hat für einen Aufklärungsband Paare beim Sex fotografiert - und fand eine humane Perspektive auf sexuelle Erfahrung

Das letzte Aufklärungsbuch, das dermaßen Wellen schlug, war wahrscheinlich das 1974 erschienene "Zeig mal!". Dabei ist es weniger die Ästhetik der Fotografien in "Make Love", die an Will McBrides Fotos im "Bilderbuch für Kinder und Eltern" erinnert, wohl aber ihre Anschaulichkeit.

Die Aufnahmen in "Make Love" stammen von Heji Shin, die bis dahin für ihre Porträts bekannt war, die in Magazinen wie "brandeins", dem "Zeit Magazin" oder Monopol erschienen. Über sieben Monate hinweg hat die 35-jährige Fotografin für das Buch von Ann-Marlene Henning und Tina Bremer-Olszewski drei Dutzend junge Paare beim Sex in ihren Schlafzimmern fotografiert.

Sie wollte, beschreibt Shin ihr Konzept, die Bandbreite der Möglichkeiten zeigen, "dass eigentlich alle Paare das Gleiche machen, es aber trotzdem immer anders aussieht". Deswegen war es ihr auch wichtig, homosexuelle Jugendliche und einen Transsexuellen dabei zu haben.

Gefunden hat sie ihre Modelle, allesamt im Alter zwischen achtzehn und Anfang zwanzig, vor ihrer Berliner Haustür. Die so entstandenen Fotos sind zärtlich, ohne verdruckst zu sein, explizit, aber ohne jede Obszönität. Und sie sind mitverantwortlich für den Erfolg des Werkes, das in Deutschland umgehend ein Bestseller wurde.

Keine hyperinszenierte Darstellung perfekter Körper
Shins Fotos werfen die unvermeidliche P-Frage auf. Sie selbst sagt dazu: "Sie können, wie alle Darstellungen von Sex, als Pornografie benutzt werden. Entscheidend ist jedoch ihr Zweck: die Aufklärung von Jugendlichen."

Wie das gesamte Buch stehen ihre Bilder für eine aktuelle Tendenz, für die die bieder geratene Sado-Maso-Roman-Trilogie "Shades of Grey" nur das bekannteste Beispiel ist: Im Kontrast zu hyperinszenierten Darstellungen perfekter Körper bei der Hochleistungsperformance, eröffnet die weibliche Perspektive eine humanere Variante der sexuellen Erfahrung. Und eine gleichberechtigte: „Es war klar, dass wir keinen Blowjob zeigen wollen“, so Shin, „ohne nicht auch fairerweise das Gegenstück abzubilden.“

Ann-Marlene Henning und Tina Bremer-Olszewski: „Make Love. Ein Aufklärungsbuch“, mit Fotografien von Heji Shin. Rogner & Bernhard Verlag Berlin, 256 Seiten, 22,95 Euro.