Die Urbanistik des Skatens

„Im schlimmsten Falle ist es Street-Art“

Alexander Basile, nimmt ein Skateboarder die Stadt anders wahr?
Da wäre ich vorsichtig. Es gibt diesen Mythos vom Skater, der – ähnlich wie der Flaneur – als kulturell besonders interessanter Typus des Großstadtbewohners herhalten muss. Ich würde es eher so ausdrücken: Der Skateboarder nimmt die Stadt genauso individuell wahr, wie jeder andere sie individuell für sich wahrnimmt. Klar: Mit einem Brett ist man schneller, und man fühlt den Boden unter den Füßen ganz anders. Wenn ich an Städte wie San Francisco oder Barcelona denke, weiß ich ganz genau, wie die sich anfühlen.

Und zwar?
Dadurch, dass San Francisco sehr hügelig ist, gibt es viele Downhills, also Abfahrten. Der Belag der Straße ist ziemlich rau und grobkörnig. Die Bürgersteige wiederum bestehen aus großen, flächigen Betonplatten, die immer nur längst unterteilt sind – das ist typisch für Kalifornien. In Barcelona ist der Straßenbelag sehr viel glatter, aber man hat mit kleinen Hindernissen zu kämpfen. Im Herbst zum Beispiel gibt es diese kleinen Propellersamen, die auf den Boden fallen. Das sind triviale Sachen, aber diese verschiedenen kleinen Reize können durch den Akt der Bewegung vielleicht einen Mehrwert  generieren.

Wie kommt es, dass Sie jetzt eine Ausstellung über Skateboarding auf der Kölner Architekturbiennale kuratieren?
Ich wollte eine Ausstellung konzipieren, zu der ich selber auch gerne eingeladen werden würde (lacht). Zunächst mal: Ich habe als Skater bestimmt zehn Jahre auf der Domplatte in Köln verbracht. Weil die Stadt uns dort vertreiben wollte, gründeten wir einen Verein, und haben durch viel ehrenamtliche Arbeit gemeinsam mit den Metrobox Architekten und noch mehr Kommunikation mit Bürgern, Presse und den politischen Parteien im letzten Jahr dann einen neuen Skateplatz am Rheinufer eröffnen können. Allein schon durch diesen Weg vom bloßen Skatengehen hin zur Vereinsgründung, und durch die Gespräche mit Politikern und Architekten bis zur Konzeption des Platzes, entwickelt man über die Jahre eine Sensibilität für die soziale Struktur des Stadtraums. Durch das Skateboarding ist mein Verständnis für die Architektur erwachsen.

Inwiefern?
Wie stark Skateboarding Einfluss nimmt auf Architektur, können sich viele gar nicht vorstellen. Viele Städte setzen auf eine repressive Architektur, da werden Plätze so konzipiert, dass man dort nicht skaten kann, es wird schon im Vorhinein verhindert, was eventuell stattfinden könnte. Das reicht von Kopfsteinpflaster bis zu Noppen auf Geländern, jede Form von Bewegung, jede Form von Flow ist suspekt. Mit der Zeit lernt man, dass diese Maßnahmen natürlich nicht nur gegen Skater gerichtet sind. Aus Hamburg ist ja etwa die Beschallung des Bahnhofsplatzes bekannt, die die Junkies vertreiben soll. Auch Bänke in Bahnhöfen sind heute oft so gebaut, dass man sich darauf nicht mehr längst legen kann. Und genau daran knüpft jetzt auch die Ausstellung an: Skateboarding ist der Ausgangspunkt, um in andere Bereiche zu schauen.

Aber ist Skateboarding heute nicht auch ein besonders hippes Label für Werbekampagnen und Kulturpolitik?
Die Problematik solch eines Ausstellungsthemas liegt vor allem in dessen Wahrnehmung. Skateboarding muss immer herhalten, wenn es um Spektakel oder Authentizität geht. Im schlimmsten Fall ist es Street Art! Wir wollen eher schauen, was übrig bleibt vom Mythos, vom Look oder vom sozialen Gefüge, wenn wir uns dem Thema über Inhalte nähern. Welche Künstler sich der Ideen des Skaterkultur bedient haben, inwieweit städtebauliche Vorsichtsmaßnahmen unsere öffentliche Architektur beeinflussen? Die Ausstellung bewegt sich, dient als Startpunkt für eine Auseinandersetzung und zeigt auch, wie wichtig es bleibt, als Mensch, Künstlerin und Künstler voranzuschreiten. So landen einige vielleicht bei der Filmvorführung „Strongest of the Strange“ von Pontus Alv und andere mitten in einem Vortrag zu Gordon Matta Clark!

Was werden Sie noch zeigen?
Es geht um die Einflüsse des Skateboarding auf Soziologie, Kunst, Architektur bis hin zur Mode. Skateboarding ist ja eine der wenigen Kulturen, die sich nicht auf einen Look festlegt. In den frühen 90ern gab es das vielleicht noch mit den Baggy Pants, den Schuhen von Vans oder Airwalk, aber das hat sich total relativiert, was Stefan Schwinghammer in einem Vortrag darstellen wird. Im Filmprogramm zeigen wir „Kids“ von Larry Clark und „City Slivers“ von Gordon Matta-Clark. In dem Projektraum SSZ Sued stellen wir zudem Fotografien von Johannes Wohnseifer aus. Die Bilder dokumentieren eine Performance aus dem Jahr 1998 im Museum Abteiberg in Mönchengladbach. Johannes war damals angefragt, eine Arbeit für das Museum zu machen, es gab aber kaum Budget. Er hat dann den amerikanischen Skater und Künstler Mark Gonzales eingeladen, mit ihm zusammen eine Choreografie erarbeitet, sowie eigene befahrbare Skulpturen im Ausstellungsraum platziert. Die Idee der beiden war es, an den Skulpturen und Bildern der Dauerausstellung entlang zu skaten, um eine andere Dynamik, ein anderes Raumgefüge zu bewirken. Das wäre heute sicher ein sehr werbewirksames, aber seelenloses Spektakel. Damals hat es die meisten Besucher, sowohl die Skater als auch das Museumspublikum einfach nur verwirrt. Genial!

Sie haben zudem auch angekündigt, im Stadtraum zu intervenieren …
Da wir so viel über Stadtraum sprechen, wollten wir unsere Ausstellung nicht nur statisch an einem Ort präsentieren. Sieben New Yorker Fotografen werden jetzt auf eigens angemieteten Plakatflächen ihre Fotografien zeigen: Bilder, die zwischen 1989 und 2011 in New York aufgenommen wurden und jetzt im Kölner Stadtraum für kleine architektonische Verschiebungen sorgen sollen. Die Besucher der Biennale sollen eine kleine Tour zu den verschiedenen Ausstellungsorten drehen, sich auf den Weg durch die Stadt machen – wie beim Skaten eben auch!

"NYC.C Von New York City bis Köln - urbane Phänomene im globalen Kontext", Ausstellungsprojekt des SSZ Sued im Rahmen der plan12 – Architektur Biennale Köln, 21. September bis 18.  Oktober 2012