Nachruf auf Chris Burden

Spiel der Götter

Als Performancekünstler schuf er eine Kunst, die an Selbstverstümmelung grenzte und befreite das Kunstwerk von seinem Objektcharakter. Jetzt ist Chris Burden im Alter von 69 Jahren gestorben

Als sich Chris Burden 1971 in der Performance "Shoot" von einem Assistenten in den Arm schießen ließ, veranlasste er einen Journalisten zu der Frage, ob der Künstler wohl sein 30. Lebensjahr erreichen würde. Burden wurde 69 Jahre alt – und gilt heute nicht nur als einer der wichtigsten Vertreter der Body Art, sondern schaffte es auch, als gefeierter Bildhauer Werke von fortdauernder Präsenz zu errichten.

Seine monumentalen Skulpturen nannte der Künstler passend Performances: Bei „Beam Drop“, eine seiner prägnantesten Arbeiten, ließ er mit Hilfe eines Krans riesige Stahlstangen in ein mit flüssigem Beton gefülltes Becken fallen – dort blieben sie wie überdimensionale, von Göttern geworfene Mikadostäbe stecken und verewigten sich zu einer abstrakten goldenen Skulptur. Die Videoaufzeichnungen der Aktion, die im brasilianischen Inhotim, in Lewiston, New York und in Belgien stattfand, wurden anschließend in der Retrospektive im New Yorker New Museum 2013 gezeigt.

Der 1946 in Boston geborene Christopher Burden studierte in Claremont und an der University of California, wo er 1971 sein Studium mit einer Performance abschloss, dem "Five Days Locker Piece". Bereits hier zeichnete sich Burdens Hang zu einer Kunst, die an die Grenzen des Erträglichen geht, ab: Der junge Künstler verbrachte fünf Tage eingeschlossen in einem Spind, der nichts enthielt als zwei große Behälter – der eine gefüllt mit Wasser, der andere bald mit Urin.

Weltweites Aufsehen erregte Burden in den darauffolgenden Jahren mit Aktionen wie "Shoot" und "Through The Night Softly", eine Videoperformance, bei der er nackt über einen Haufen Glasscherben robbte. Er schuf eine Kunst, die nicht nur an Selbstverstümmelung grenzte, sondern sich auch haarscharf am Rande der Illegalität bewegte: In "TV Hijack" nahm er die Moderatorin einer Fernsehsendung, in der er zu Gast war, als Geißel und drohte sie umzubringen, falls der Sender die Liveübertragung abbreche.

Solche drastischen Aktionen passen zu den radikalen 68er-Positionen, sie spiegeln aber auch die immer kritischer werdende Mediendebatte dieser Zeit wider. Burdens Aktionen erzeugten durch ihre physische Brutalität eine Kontingenz, die durch die Realität des Fernsehens - die bald als eine bloß vermittelte entlarvt wurde - verloren schien.

Spätere Arbeiten Burdens verzichteten auf den Schock-Effekt der körperlichen Gewalt, nicht aber auf den gesellschafts- und medienkritischen Ansatz. Nun mehr in ironischer Form karikierte Burden ab Mitte der 70er-Jahre mit Arbeiten wie "Chris Burden Promo" das Fernsehen und die Werbung, indem er sie mit ihren eigenen Mitteln schlug – Primitivität und Redundanz!

Sich von der Verbindung zur Body Art zu lösen war nicht leicht für den Amerikaner, schließlich trug er als Performancekünstler dazu bei, das Kunstwerk von seinem Objektcharakter zu befreien. So widersprüchlich seine Hinwendung zu einer objektbezogenen Kunst vielleicht zunächst erscheinen mag, ist sie doch sinnvoll. Burden bezeichnete damals seine Performances als Skulpturen, ein Prinzip, dass er später in logischer Konsequenz umkehrte. 1979 wurde "The Big Wheel" Burdens erste Performance Skulptur – ein Objekt, das zwar vom Künstler aktiviert wird, aber zugleich ein Eigenleben zu haben scheint – und markierte damit den Übergang zu seiner neuen ästhetischen Orientierung, die aber noch immer kritischen Überlegungen folgte.

Neben seiner künstlerischen Tätigkeit lehrte Burden seit 1978 an der UCLA und war dort auch Leiter des Bereichs "Neue Medien". Er lebte gemeinsam mit seiner Frau Nancy Rubin im kalifornischen Topanga, wo er am 10. Mai seinem Hautkrebs erlag.