Oliver Laric über Netzkunst

"Meine Website ist ein Ort der primären Erfahrung"

Herr Laric, was bedeutet Netzkunst für Sie?
Netzkunst interessiert mich nicht sehr, wenn es um eine technologische Definition geht. Das Netz als Model der Bildproduktion hat für mich mehr Potential, auch wenn es das schon längere Zeit gibt.

In der Arbeit „↓ ↑“ haben Sie Youtube-Videos von Taufen Erwachsener gesammelt und collagiert. Was steckt dahinter?
Es ist alles recht vordergründig. Ein Körper existiert in zwei Welten, und die verschiedenen Stadien eines Übergangsrituals werden aufgezeigt: Vor der Mitgliedschaft, beim Eintreten, und als Mitglied. Beim Eintauchen wird ein Paralleluniversum produziert. Eventuell gibt es neben der Welt, in der eingetaucht und aufgetaucht wird, auch die Unterwasserwelt.

Ein Vorteil von der Netzkunst ist, dass sie recht frei produziert und gezeigt werden können. Sehen Sie auch Nachteile?
Meine Website ist ein Ort der primären Erfahrungen, daher existiert neben Galerie und Museum ein weiterer Ort, um Arbeiten zu erfahren. Es gibt natürlich auch dazu noch Alternativen. Ideal ist für mich die mündliche Überlieferung als Erfahrung, und die kann ja überall stattfinden. Dabei werden durch die Übersetzungen des Erzählenden oft weitere Arbeiten produziert. Mit Freunden mache ich eine Website www.vvork.com, die täglich mehrere Arbeiten von unterschiedlichen Künstlern aus aller Welt zeigt. Hin und wieder zeigen wir auch unsere eigenen Arbeiten, und bei durchschnittlich 15.000 Besuchern pro Tag gibt es unweigerlich ein Publikum.

Ein Nachteil könnte zum Beispiel die geringe Rentabilität oder die schwere Ausstellbarkeit sein.
Die Kosten für meine persönliche Website belaufen sich jährlich auf weniger als 50 Euro, also eigentlich sehr rentabel verglichen mit einem physikalischen Studio oder einer Off-Space-Miete. Die Arbeiten lassen sich unproblematisch verschicken, als E-Mail-Anhang, zumindest wenn sie ephemer sind. Es gibt ab und zu ein Problem der Übersetzung im Raum, sodass Missverständnisse oder Übersetzungsfehler entstehen. Diese Übersetzungsfehler enthalten aber ein produktives Potential.

Wie beurteilen Sie den Einfluss von Web 2.0?

Es wird oft von einem Konsumenten gesprochen, der auch produziert, der Prosument, sowie von dem Leser, der auch schreibt. Im 18. Jahrhundert hat der britische Möbelmacher Thomas Chippendale ein Buch veröffentlicht, in dem er genaue Anleitungen zur Produktion seiner Möbel liefert. Die Anleitungen können als Grundlage verstanden werden, lassen jedoch persönliche Interpretationen zu. Das Buch wurde ein großer Erfolg und Chippendale wurde der erste Möbelmacher aus einfachem Hause, nach dem eine Stilrichtung benannt wurde. Es war der richtige Moment für die Verbreitung von Möbeln als Code, da die industrielle Produktion und internationaler Versand von Möbeln noch nicht entwickelt oder rentabel waren. Thomas Chippendale ist Möbelproduktion 2.0 wie auch später Enzo Mari mit dem Autoprogettazione Projekt.

Ich finde, es wird immer schwieriger, zwischen Beiträgen normaler User und Kunstbeiträgen zu unterscheiden.
Da geht es mir ähnlich und mir gefällt diese Verwirrung. Es wäre auch eine Möglichkeit, die Zugehörigkeit einer Szene zu ignorieren und Arbeiten lediglich als Arbeiten zu interpretieren ohne den Produzenten zu beurteilen. Dann sind es eher Ideen ohne Autoren, das passt auch zu der Idee des Cloud Computing, bei der hunderte oder tausende von unterschiedlichsten Orten gemeinsam an einem Projekt arbeiten.

Wohin könnten sich das Internet und die Kunst entwickeln?
Die nächsten Jahre werden eine eklektische Mischung aus Cloud Computing, Shanzhai, Singularität, 3D-Druck, Araab Muzik, öffentlicher Erbgut-Sequenzen, T1000, viraler Piraterie, erweiterter Realität und Okinawa Küche.

Ab dem 8. Juni 2011 zeigt Oliver Laric in der Skulpturhalle Basel seine Einzelausstellung "Versions"