Ausstellungen in Brandenburg zu Romantik und Apokalypse

Kunst am Schloss

Hallo Umland! Am Wochenende laden Ausstellungen in zwei Brandenburger Schlössern zur Landpartie ein

"Ach!" möchte man seufzen, als Ausdruck romantischer Sehnsucht, wenn es plötzlich um einen herum immer ruhiger und grüner wird, man durch entlegene Waldabschnitte fährt und plötzlich vor diesem weißen Schloss steht, hinter dem glitzerndes Wasser hervorscheint.

Was den Besuch von Schloss Sacrow in Potsdam dieses Wochenende noch lohnenswerter macht: Die Ausstellung "Opening on the Foam" greift das romantische Gefühl auf und katapultiert es in die Gegenwart. Im Schloss und in der Gartenanlage präsentiert die Stiftung CAA Berlin mit ihrer ersten Stipendiatin für kuratorische Praxis, Lydia Korndörfer, Arbeiten von 17 Künstlern, die das Fortleben romantischer Motive wie Sehnsucht, Mysterium, Naturverbundenheit und Nationalgefühl in der zeitgenössischen Kunst demonstrieren und sich gleichzeitig auf die Geschichte des Ortes beziehen.

Was in der Arbeit "Clouds" des Künstlers Nasan Tur zunächst wie die Darstellung von Wolkenlandschaften scheint, ist bei genauerem Hinsehen die Zusammensetzung zahlreicher, kleiner Pressefotos von Kriegsszenen und Gewalt. Nasan Tur hat dabei nur die Himmelausschnitte dieser Fotos gewählt und damit das eigentliche Geschehen ausgeblendet. Somit entstehen schöne Wolkenbilder, die nur beim zweiten Blick, durch die Spuren von Rauch und Asche, erahnen lassen, was ihr eigentlicher Hintergrund ist.

Eine weitere Arbeit, die mit den Konventionen der Landschaftsdarstellung spielt, sind die Gemälde von Thea Drechsel: Indem sie in einem Werk etwa den Horizont einer abstrakten Landschaft durch eine fette, gelbe Linie markiert, verweist sie medienreflexiv auf die Regeln der Landschaftsmalerei, die Wahrnehmung des Betrachters und die Zweidimensionalität des Mediums.

Ein visuell poetisches Erlebnis schafft Hicham Berrada, indem er eine chemische Reaktion im Reagenzglas erzeugt und diese filmisch festhält. Dabei dringt er in die Tiefe der Materie und schafft eine romantisch verklärte Atmosphäre sowie eine universelle Hymne auf Natur und Schöpfung.

Andreas Mühe kreiert mit seiner Arbeit "Obersalzberg" eine kuriose Fotoserie: Inmitten der großflächigen Darstellung der oberbayrischen Landschaft stehen, ganz klein im Bild, pinkelnde Protagonisten in Naziuniform. Mühe übernimmt somit die romantische Ikonografie des kleinen Menschen in der weiten Natur, verhöhnt jedoch gleichzeitig ihre Verherrlichung und zieht einen Bezug zur "befleckten" Vergangenheit des Ortes. Hier wird auch die Geschichte des Schlosses  aufgegriffen, das 1938 im Dritten Reich zum Wohn- und Dienstsitz des Generalforstmeisters Friedrich Alpers wurde.

Auf die Spuren deutscher Kulturgeschichte begibt sich ebenfalls der Kurator Mark Gisbourne im Schloss Roskow in Brandenburg. Die Ausstellung "Rohkunstbau" findet in diesem Jahr zum 21. Mal statt und knüpft seit 2011 mit einer Themenreihe an Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen" an. Nach Schwerpunkten zu Macht, Moral und Revolution, widmen sich nun in der von der Böll-Stiftung finanzoierten Schau zehn Künstler im letzten Teil der Reihe der Apokalypse. Damit soll nicht nur eine Interpretation des vierten Teils des "Ring des Nibelungen", "Götterdämmerung" stattfinden, sondern auch eine persönliche Auseinandersetzung der Künstler mit der Thematik von Untergang und dem darauf folgenden Neuanfang.

Das kroatische Künstlerduo aus Damir Žižić und Kristian Kožul benutzen verschiedene Medien, um den Besucher auf mehreren Sinnesebenen zu erreichen. Durch Lautsprecher in Muschelform, aus denen Bauschaum quillt, dröhnt verzerrte, elektronische Musik, die apokalyptisch anmutet. Sie beziehen sich damit auf die aktuelle ökonomische Lage ihres Heimatlandes, dessen Wirtschaft zunehmend vom Tourismus abhängig ist.

Einen Eindruck aus ihrem Heimatland vermittelt auch Olga Chernysheva mit ihrer Filmarbeit "Trashman". Nach der Filmvorstellung in einem Moskauer Kino steht ein usbekischer Gastarbeiter am Ausgang und hält eine Mülltüte geöffnet, die die Besucher nach und nach füllen. Der Aufbau des Films richtet sich durch Musik und Bildführung nach der Dramatik eines klassischen Spielfilms, zeigt dabei jedoch ausschließlich den jungen Mann.

Der Maler Philip Grözinger lässt den Betrachter durch sein Werk "however this could be the beginning 1+2" in eine bunte, düstere Welt eintauchen, die auch die Kulisse für einen Tim-Burton-Film sein könnte. Eine pinke Möbiusschleife bildet den Mittelpunkt des Bildes, die den endlosen Kreislauf von Anfang und Ende darstellt und gleichzeitig einer riesen Achterbahn ähnelt. In der unteren Ecke des Bildes steht die AN602, die stärkste jemals gezündete Wasserstoffbombe.

Leiko Ikemura hat einen atmosphärischen Raum geschaffen, der durch die Kombination der Medien Film und Skulptur ein rundes und ineinander verknüpftes Kunstwerk darstellt. Eingetaucht in dunkles Licht, bildet eine goldene Bronzeskulptur – ein sich in einer Art Knospe befindendes, auf dem Boden liegendes Mädchen – das Zentrum der Installation. Dahinter werden Wolkenaufnahmen eines japanischen Wissenschaftlers projiziert, die zwischen 1927 und 1941 um den Mount Fuji aufgenommen wurden. Untermalt wird die apokalyptische Aura des Raumes durch einen durch Luft bewegten Vorhang. Ikemura bezieht sich damit auf vergangene Naturkatastrophen, wie Pompeji oder Fukushima und drückt gleichzeitig die immerwährende Spannung in der Erwartung kommender Ereignissen dieser Art dar.

Ähnlich wie bei Nasan Tur haben die Wolken ihre Erhabenheit und Unschuld längst verloren – und von Romantik zur Apokalypse ist es nur ein kurzer Weg.