Multimediashow "Van Gogh Alive" in Berlin

Sternennacht, powered by emotions

Ein australischer Veranstalter verspricht mit großem Brimborium, Van Gogh in Berlin zum Leben zu erwecken. Ein Erfahrungs-, nein, "Experience"-Bericht

"Die neue Art Kunst wahrzunehmen", "eine einzigartige, multisensorische Erfahrung": Es klingt nach der Marktschreierei eines technikbegeisterten Zirkusdirektors, wenn der australische Veranstalter Grande Exhibitions seine Wanderausstellung "Van Gogh Alive - The Experience" bewirbt. Die "Synergie von Licht, Ton und Animation" soll jetzt auch die Berliner Besucher in einen der "spektakulärsten multimedialen Räume in der Welt" und in das Leben und Werk des Künstlers Vincent Willem van Gogh hineinführen.

Ich bin skeptisch. So skeptisch wie man eben ist, wenn jemand etwas vermeintlich Trockenes mit Getöse aufpeppen will. Allerdings ist da auch die Neugier darauf, was einen erwarten würde, was für Menschen es anzieht und, ja, tatsächlich auch ein bisschen Lust auf Show.

Im ersten Raum der Alten Münze in Berlin findet eine kleine Einführung statt: Informationen über das Leben des Künstlers und natürlich über die neue, innovative Ausstellungserfahrung. Van Goghs "Schlafzimmer in Arles" wurde eins zu eins nachgebaut und eröffnet die Reise in die fabelhafte Welt des berühmten Malers.

Die eigentliche Show läuft in den nächsten drei Räumen, in denen der Besucher anhand des so genannten "SENSORY4tm Systems" mit 40 hochaufgelösten Bildprojektoren, Mehrkanalanimation und hochqualitativem Sound in die Gefühlswelt des Malers während der Jahre 1880 bis 1890 hineingezogen werden soll.

Die Räume sind dunkel, es herrscht Kinoatmosphäre. Auf dem Boden haben es sich Menschen auf Sitzkissen gemütlich gemacht. Nur kommen die Bilder nicht, wie im Kino, ausschließlich von vorne auf den Zuschauer zu. Van Goghs Werke gleiten hier rastlos von links, von rechts, von vorne, hinten und von unten am Betrachter vorbei, werden heran- und wieder herausgezoomt und scheinen somit visuell kaum greifbar.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Besucher, die ihre Köpfe ruckartig nach allen Seiten ausstrecken, mitten in der "Experience" sind – oder so wie ich: einfach nur überfordert. Auf welches Selbstporträt lasse ich mich ein, wenn mich etwa 40 Van Goghs anschauen und nach fünf Sekunden schon wieder verschwinden?

Zumal es nicht bei seinen Werken bleibt. Hinzu kommen absolut überflüssige Animationen, wie eine malende Hand, Bilder von echten Blumen oder Bahngleisen, die seine Reise-Etappen untermalen sollen. Nichts wird hier der eigenen Fantasie überlassen. Die Emotionen werden durch Musik vorgeschrieben, die Zigarette im Bild "Schädel mit brennender Zigarette" fängt von selbst an Rauch von sich zu geben. Die "Van Gogh Experience" wird mir aufgedrängt – und zwar plump, geradezu aggressiv.

Die Ausstellung verspricht eine multisensorische Erfahrung, doch die, die hier geboten wird, reicht nicht ansatzweise heran an die Erfahrung des Originals, an die Materialität von Pinselstrichen etwa.

Auf dem Weg zum Ausgang laufe ich vorbei an einem kleinen Mädchen, das auf einer am Boden laufenden Projektion herumtanzt, die Bilder auf ihrer Haut begutachtet und begeistert das Werk "Weizenfeld mit Krähen" berührt. Ich freue mich, dass sie Spaß hat und verlasse die Ausstellung nun wenigstens nicht mehr ganz so betrübt.

Ich habe zu keinem Zeitpunkt erwartet, dass diese Art von Ausstellung jemals ein Ersatz für die Rezeption eines originalen Werkes im musealen Raum sein könne, doch ich hatte eine gute Show für möglich gehalten. Das Problem liegt vermutlich darin, dass die Ausstellung gleichzeitig informativ und emotional anregend sein will und dabei irgendwo zwischen Diashow, Dokumentation und Hollywood-Schinken hängenbleibt.

Dass der Ansatz von Grande Exhibitions funktionieren kann, beweist Marc Tamschick, der mit seiner Berliner Agentur begehbare Videoinstallationen für Museen entwickelt, die geschickt gestaltet sind. Für die Ausstellung "Porzellanwelten" im Schloss Leuchtenburg entwickelten sie 2014 etwa eine "mediale Festtafel", die auf kuriose und kreative Weise die Thüringer Porzellankultur im Barock veranschaulicht. Ein Problem sieht Tamschick, wie er im Monopol-Interview sagte, allerdings in der Anwendung dieser Inszenierungsform auf Kunstwerke, da jede künstlerische Arbeit Ausdruck des Kosmos seines Urhebers sei und das Museum ein möglichst neutraler Raum sein muss, um nicht davon abzulenken.

Nach dem Verlassen der Ausstellung frage ich eine Besucherin, wie es ihr gefallen hat. "Mal was anderes", sagt sie und fügt hinzu, dass auf diese Weise zumindest das nicht klassische Museumsklientel angezogen würde. Aber wieso sich so sehr um die Aufmerksamkeit derer bemühen, für die man die Kunst erst mit Salz und Pfeffer würzen muss?