Achtung, Kunstpolizei?


Literatur ist oft aufregender als das Leben und eine Fälschung manchmal besser als die Kunst. War die Frage, ob ein Künstler wirklich selbst Hand anlegt, noch vor ein paar Jahrzehnten ein Thema, das alle bewegte, zuckt man heute auch dann mit den Schultern, wenn sich herausstellt, dass ein Gemälde aus dem Prado nicht von Goya, sondern seinem Assistenten ist. Die Postmo- derne hat ihr Übriges getan. Wen interessiert heute schon, ob Koons oder Hirst selbst zum Handwerkszeug greifen?

 

Der in New York lebende Australier Peter Carey erinnert in seinem so verschro- benen wie mitreißenden Roman „Liebe. Eine Diebesgeschichte“ an die Zeit, als das noch anders war. Im Zentrum steht ein aus der Mode geratener austra- lischer Künstler, der vom Szenedarling zum Kunstfälscher avanciert und von dort zum Rasenmäherservicemann und schließlich zur museums tauglichen Größe wird. Wie die meisten Künstler will Michael „Butcher“ Boone zwanghaft seine Sterblichkeit überlisten und etwas schaffen, das von Dauer ist. Dabei stehen ihm ein Hang zum Jähzorn, Trunksucht und Liebesduseligkeit sowie ein immer wieder auftauchender Kunstpolizist im Weg. Auch die geschiedene Ehe- frau, die seine ehemals teuren Leinwände als Klagemasse für sich bean- sprucht, ist bei der Selbstverwirklichung eher hinderlich.
Zu Hilfe kommen ihm ein selbstverliebter Sammler, dessen Tropenholzfußboden er mit Sperrholz vernagelt, um ein Atelier aus einem geliehenen Haus im australischen Busch zu machen, und die mysteriöse Marlene Liebovitz. Die verschafft ihm nicht nur Ausstellungen in Tokio und New York, sondern macht ihn auch zum Fälscher des Werks eines modernen Klassikers. Ein Plot, bei dem es um Mord und Millionen geht.
Während der im wahrsten Sinne des Wortes fulminanten Thriller-Handlung hat Butcher zudem immer Zeit für einige Bonmots, die allein schon die Lektüre wert
sind. „Der Markt ist ein scheues, leicht in Panik geratendes Biest“, sagt er an einer Stelle, „und so hat es auch zu sein. Wie sollte man sonst wissen, was man zahlen muss, wenn man keinen verdammten Schimmer hat, was so ein Ding wert ist? Was sagt man, wenn man fünf Millionen Dollar für einen Jeff Koons zahlt und ihn heimbringt? Was denkt man dann?“ Dass auch das inzwischen ein bisschen nostalgisch klingt, tut dem Lesegenuss keinen Abbruch.

 

Peter Carey ruft mit großer Verve die Kunstwelt der 80er-Jahre in Erinnerung zurück, mitsamt dem frühen Jetset-Leben, den wilden Partys, den gefälschten Picassos und den Abgründen eines boomenden Marktes. Geschmeidig schildert er den Schmutz und das Schwitzen bei der Produktion von Leinwänden, die dann unberührt im White Cube hängen. Oder zumindest beschreibt er, wie es gewesen sein könnte. Ist ja schließlich Literatur, und die ist oft spannender als das wirkliche Leben.

 

Peter Carey: „Liebe. Eine Diebesgeschichte“.
S. Fischer Verlag. 335 Seiten. 19,90 Euro