Kunstmesse FIAC 2010

Adieu, Tristesse

Über Jahrzehnte war der französische Kunstmarkt in Lethargie verfallen, und nur staatliche Maßnahmen retteten ihn vor dem Aus. In letzter Zeit ist jedoch eine diskrete Revolution aus dem Untergrund entstanden. Dabei erwies sich die Wirtschaftskrise sogar als versteckter Segen. Paris, das vorher immer als zu provinziell und schläfrig wahrgenommen wurde, erschien auf einmal beruhigend solide.
Denn Nachfrage ist hier durchaus vorhanden: Hinter den zwei großen, bekannten Sammlern François Pinault und Bernard Arnault versteckt sich eine Armee anderer potenzieller Käufer, wenn auch mit weniger vollen Taschen. Für viele amerikanische und britische Galerien, die nach neuen Absatzgebieten Ausschau halten, hat sich Frankreich deshalb zu einem Sprungbrett entwickelt, von dem aus sie weitere Großstädte auf dem europäischen Festland erkunden können.

Seit 2008 nehmen immer mehr wichtige internationale Händler an der Fiac teil (und auch solche, die bislang nur bei der Londoner Frieze auftraten). Dieses Jahr versammelt die Pariser Messe Schwergewichte wie Barbara Gladstone, David Zwirner, Gagosian, L&M, Blum & Poe, Lehmann Maupin, Metro Pictures und Victoria Miro. Auch Max Hetzler ist mittlerweile bei der Fiac vertreten, während er das Art Forum Berlin, das zwei Wochen vorher stattfand, ausgelassen hat.

Der allmächtige New Yorker Händler Larry Gagosian eröffnet im Oktober dort außerdem eine Galerie, trotz bestehender Filialen in London, Beverly Hills, Rom und Athen. Er will seine Gegenwartskunst zeigen, einen Fuß in die zahlreichen modernen Sammlungen bekommen und nicht zuletzt näher an wichtigen Künstlernachlässen sein. 2006 unterzeichnete Larry Gagosian zum Beispiel eine Partnerschaft mit der Giacometti-Stiftung, in deren Auftrag er die begehrten posthumen Bronzegüsse vertreibt.
 
Aber Gagosian wird – wie Christie’s und Sotheby’s – das Land nicht nur als Schatzkammer betrachten, wo es kunsthistorische Kostbarkeiten zu holen gibt. Die Auktionsriesen haben auch begonnen, Kunstwerke in Frankreich zu verkaufen, die sie genauso gut hätten exportieren können, etwa eine Modigliani-Skulptur für 43,2 Millionen Euro im vergangenen Juni. Paris ist wirklich ein attraktives Schaufenster für den Rest der Welt geworden, inklusive Russen und Chinesen, die sofort zuschlagen, sobald ein interessantes Stück auftaucht.

Vor allem wächst dank des Art-Centers Palais de Tokyo eine lebendige Kunstszene, die den früheren Stempel „langweilig oder exzessiv intellektuell“ langsam, aber sicher verblassen lässt. Aufstrebende Künstler, darunter Cyprien Gaillard und Kader Attia, werden bereits von bedeutenden ausländischen Galerien wie Sprüth Magers und Christian Nagel repräsentiert, eine neue Generation Händler mit Sitz in Belleville steht ebenfalls für einen internationaleren Ansatz. Also entschied die Pariserin Chantal Crousel, ihre zweite Galerie gleich vor Ort zu gründen und nicht, wie eigentlich geplant, in Brüssel oder London.

Alles sieht dennoch nicht rosig aus. Die lebenden französischen Künstler finden sich bei den großen Auktionsverkäufen kaum. Diejenigen mit den besten Ergebnissen, zum Beispiel Pierre Soulages, Georges Mathieu oder Zao Wou-ki, sind über 80 Jahre alt, die jüngeren haben offensichtlich noch nicht die notwendige Prominenz erreicht.

Abgesehen von ein paar starken Galerien wie Emmanuel Perrotin haben wenige deutlich zugelegt, und viel zu viele arbeiten auf Kunsthandwerksniveau. Obwohl das Kulturbudget schrumpft, zögert die Regierung, privates Sponsoring ernsthaft zu ermutigen. Das Schlimmste in diesem Zusammenhang aber richten die hohen Steuern an: Sie vertreiben die französischen Superreichen nach Genf oder Brüssel.

FIAC Paris, 21. - 24 Oktober