Ausstellung in Düsseldorf

Ai Weiwei ist nicht einverstanden

Mittelfinger auf dem Platz des Himmlischen Friedens, Handschellen aus Jade, Überwachungskameras aus Gold – nein, Subtilität ist Ai Weiweis Sache nicht. Das zeigt auch die Ausstellung in der Kunstsammlung NRW

Rätseln muss hier niemand. Die Skulptur eines voll besetzten Schlauchboots, die sofort Assoziationen an Medienbilder von Menschen auf der Flucht hervorruft oder einer neolithischen Vase, die den Schriftzug "Coca-Cola" trägt, sprechen eine deutliche Sprache. Selbst bei den 60 Millionen aus Porzellan gefertigten Sonnenblumenkernen kommt man nicht umhin, an die schwindelerregende Zahl derer zu denken, die sie hergestellt und bemalt haben.

Ein Blick in den Kurzführer des lakonisch "Ai Weiwei“ betitelten Werküberblicks reicht, um zu erfahren, dass Mao Zedong von seinen Propagandisten mit Vorliebe als Sonne dargestellt wurde, nach der sich das Volk, ähnlich einer Sonnenblume, auszurichten hatte – fertig ist die Apologie auf individuelle Freiheit. Oder wahlweise die Kritik an der Massenproduktion mit dem Label "Made in China".

Die Zugänglichkeit stößt vielen übel auf, denn was sich auf Anhieb erschließt und durch gigantische Logistik zu überwältigen versucht, kann nicht Kunst sein. Dabei ignorieren die Unterforderten, dass breitenwirksame Aufmerksamkeit schon immer die Absicht des inzwischen in Berlin lebenden Menschenrechtsaktivisten war. In China war sie Schutz vor einem übergriffigen Re­gime, das den Störenfried lieber ziehen ließ, als weiter Vorlagen für Arbeiten wie "Dumbass" oder "S.A.C.R.E.D." zu liefern, in denen er seinen Hausarrest verarbeitete. Im Westen ermöglicht sie dem 61-Jährigen, sich mit einem Großkonzern wie VW anzulegen. Deshalb lässt er wohl auch kein Selfie mit den Akteuren der Kunstszene aus.

Brachial banal?

Muss das sein? Ja, denn Ai macht es sich in der Kunstblase nicht bequem, auch wenn seine Preise nach jeder spektakulären Aktion in die Höhe schießen. Es geht ihm um Protest, nicht um nachhaltige Kunst. Sie ist nur ein Mittel, das Gespräch über globale Schieflagen am Laufen zu halten. Deswegen versteckt er das Politische nicht, sondern drängt es geradezu auf, wenn er die Besucher in einen Wald aus Kleiderständern mit gewaschener Wäsche von Geflüchteten schickt. Oder ihnen einen Friedhof aus Transportkisten vorsetzt, in dem 164 Tonnen Stahlstäbe an die schlampig gebauten Schulgebäude erinnern, die nach einem Erdbeben Tausende Kinder unter sich begruben.Brachial banal? Ja. Aber auch ein Sieg der Parteinahme durch emotionale Erschütterung, die je nach Kontext andere Wunden aufreißt.

In China war diese Installation der Auslöser, den Staatsfeind einzusperren. Im Westen provoziert sie bei all denen heftige Abwehr, die sich die Luxuszone Kunst frei von allzu menschlichen Abgründen halten wollen. Sie sind nicht zu beneiden, denn wo lassen sich für einen wie Ai demnächst mehr Reizthemen finden als in einer heillos polarisierten Gesellschaft?