Alec Soth in Hamburg

Magie der Bilder

In den Hamburger Deichtorhallen kommt Alec Soth auf leisen Füßen

Mit Superlativen könnte man im Superkunstjahr 2017 vielleicht langsam etwas sparsamer umgehen, es wirkt sonst unglaubwürdig. Nur ist da jetzt eben noch die bestechende Ausstellung "Alec Soth: Gathered Leaves" im Haus der Photographie der Hamburger Deichtorhallen. Der britische "Telegraph" nannte Soth "den größten lebenden Fotografen sozialer und geografischer Landschaften Amerikas" – eine Zuschreibung, die gern wiederholt wird, auch hier, weil sie stimmt.

Soth führt die Tradition der großen amerikanischen Fotografen wie Walker Evans, Robert Frank, Stephen Shore und Joel Sternfeld fort, die das Land mit ihrer Kamera bereisen und vermessen, um dann ein Fotobuch herauszubringen, das legendär wird. Solch ein Erfolg lässt sich nicht planen, keine Frage. Alec Soth ist der Durchbruch 2004 mit seinem Buch "Sleeping by the Mississippi" gelungen.

Jetzt, nicht einmal 15 Jahre später, tourt seine Retrospektive, die keine sein will, weil der Magnum-Fotograf Soth sich mit seinen 49 Jahren zu jung dafür fühlt. Zuvor war die Ausstellung mit seinen vier großen Serien "Sleeping by the Mississippi", "Niagara", "Broken Manual" und "Songbook" in London, Helsinki und Antwerpen zu sehen.

"Jeder, der schläft, ist schön, jedes Ding im Dunkel ist schön", lauten zwei Zeilen aus dem Gedicht "Die Schläfer" von Walt Whitman, das auch die Inspiration für Soth war, den Titel "Gathered Leaves" (gesammelte Blätter) zu wählen. Es ist ein Best-of, nicht chronologisch gehängt, man schreitet keinen vorgegebenen Parcours ab. Weil Soth vom Buch kommt, gibt die Ausstellung auch dem Betrachter die Ruhe, die man beim Blättern durch ein Fotobuch hat. Bilder hängen einzeln an großen Wänden, wie "Michele and James" aus der Serie "Niagara", dem Ort, an dem Hochzeiten gefeiert und Selbstmorde begangen werden. Sie sitzen nackt auf einem Sofa, er, mit sehr bleicher Haut, blickt selbstbewusst in die Kamera, während sie sich an ihn schmiegt und ein wenig verloren und melancholisch vor sich hinschaut. Es ist eine leise, eine zurückgenommene Schau, die nicht laut poltern muss, weil sie auf die Kraft und Magie der einzelnen Bilder setzen kann.

Während Kritiker beklagen, dass die Fotografie im Massengrab versinkt, und Kuratoren ständig zeigen wollen, dass sie in der Flut der Bilder ertrinkt, wird sie in dieser Schau gefeiert. Und mit ihr der Fotograf, der wie kein anderer Einzelgänger und Aussteiger feinfühlig und zärtlich porträtiert, für den Verletzlichkeit die größte Schönheit ist und der anrührend von Einsamkeit und Traurigkeit erzählt. Wenn Sie in diesem Jahr schon genug gesehen haben und nur noch einmal ins Museum möchten, es sollte diese Ausstellung sein. Sie werden sie ein zweites Mal sehen wollen.