"Da Vinci bei den Simpsons"

Alles Pop?

Viele Kunstwerke sind fester Bestandteil der popkultureller Bildproduktion geworden, manche Gemälde werden wieder und wieder zitiert. Warum aber sind bestimmte Bilder populärer als andere? Diese Frage haben sich die Mailänder Kunstkritikerin Francesca Bonazzoli und der in London ansässige Kunsthistoriker, Kurator und "Mousse Magazine"-Redakteur Michele Robecchi gestellt. Künstler Maurizio Cattelan hat für das Buch “Da Vinci bei den Simpsons. Wie aus Kunst Kult wird" ein Vorwort beigesteuert – und herausgekommen ist ein Band, der selber ganz poppig geworden ist.

Geklärt werden soll die Frage anhand von 30 kurzen Kapiteln und ebenso vielen Werken. Da Vincis "Mona Lisa" etwa verhilft ein Verbrechen zum Erfolg: Erst nach einem Diebstahl wird das Gemälde 1911 zum Anbetungsgegenstand. Bei Goyas "Nackter Maja" hingegen führt ein Skandal zum Kult – zu fest die Brüste, zu steif die Nippel, vor allem aber: Seit wann gibt’s Schamhaar? Fast alle anderen Werkbeispiele macht ihr Einsatz als Werbeträger zum Kult. Die Verwendung der halbentblößten "Venus von Milo" war im letzten Jahrhundert (von Cornflakes über Korsetts und Kugelschreiber bis hin zum schnurlosen Telefon) geradezu ubiquitär.

Allein, etwas stört beim Beispiel der Venus: Man würde die Statue nicht als "Kult" bezeichnen. Auch zu vielen anderen Beispielen im Buch – wie Magrittes "Menschensohn", dem "Dyskobol von Myron", der "Nike von Samorathke" – passt die Bezeichnung nicht recht. Ganz abwegig klingt es, bei Picassos "Guernica" von "Kult" zu sprechen. Hier zeigt sich ein Schwachpunkt des Buchs: Der Begriff ist alles andere als trennscharf und wird nicht definiert. Das dem Einführungstext vorangestellte Wittgenstein-Zitat hilft auch nicht weiter: "Wenn wir jedoch irgendetwas, das das Leben des Zeichens ausmacht, benennen sollten, so würden wir sagen müssen, dass es sein Gebrauch ist." Etwas schwammig ist entsprechend das Fazit im Buch: Kunst, die viel zitiert oder auch mal verspottet werde, gerate zum "Kult".

Um wirklich spannend zu sein, hätte das Buch mindesten um die Rubrik "Die Simpsons bei Da Vinci" erweitert werden müssen. Dann hätte man nicht nur sehen können, dass sich in den 60ern die halbnackte Venus mit Handy und erkaufter Bewegungsfreiheit vom heimischen Herd emanzipierte, sondern auch, dass die Konsumwelt selbst sich vom Diktat einer im Selbstverständnis bis dato fraglos besserwertigen Ignoranz der Kunst freischaufelte. Andy Warhol brachte diese Emanzipation der Ware durch Brillo-Boxes und Campbell‘s Suppendosen in einem Rollenwechsel zwischen Kunst und Kommerz auf den Punkt.

Francesca Bonazzoli und Michele Robecchi „Da Vinci bei den Simpsons. Wie aus Kunst Kult wird“, Mit einem Vorwort von Maurizio Cattelan, 2014, Prestel Verlag, 144 Seiten, 24,95 Euro.