Eisskulptur ersetzt Premier

Als Boris Johnson einmal dahinschmolz

Nachdem der britische Premierminister eine TV-Diskussion zum Thema Klimawandel abgesagt hatte, ersetzte ihn der Sender kurzerhand durch eine live schmelzende Eisskulptur

Es gibt kaum ein Bild, das Vergänglichkeit so zuverlässig und effektiv illustriert wie schmelzendes Eis. Allan Kaprow hat ein verschwindendes Eishaus als Happening der Verflüssigung inszeniert, Olafur Eliasson warnt mit seinen Eisbrocken vor Museen und den Fotos von tauenden Gletschern vor dem Klimawandel. Unerwartet haben nun zwei Eisskulpturen die Hauptrolle in einer Fernseh-Debatte beim britischen Sender Channel 4 eingenommen. Vor der Parlamentswahl am 12. Dezember hatte der TV-Kanal die Spitzenkandidaten aller Parteien zu einer Debatte über Klimapolitik eingeladen. Der amtierende Premierminister Boris Johnson (Tories) und der Vorsitzende der Brexit-Partei, Nigel Farage, sagten ab.

Daraufhin wurden ihre vorgesehenen (sehr prominenten) Plätze im Studio einfach mit zwei Eisskulpturen in Form einer Erdkugel gefüllt. "Johnson" und "Farage" schmolzen während der Diskussion der anderen Politiker langsam vor sich hin. Das klassische Format der TV-Debatte war also um ein Element der Performance ergänzt, die buchstäblich in alles Gesagte hineintröpfelte.

Eine neue Form des "climate denialism"

Während die Brexit-Partei Klimapolitik nicht im Programm hat, haben die Tories die Bedrohung durch steigende Temperaturen offiziell anerkannt. Der "Guardian" macht bei Johnson jedoch eine neue Art von "climate denialism" aus. Der Premierminister leugne den menschengemachten Klimawandel nicht, verweigere sich aber konkreten Maßnahmen - oder schon der Diskussion darüber.

Die konservative Partei war über den symbolisch zergehenden Premierminister nicht besonders erfreut. Die Tories warfen Channel 4 vor, parteiisch und mit dem Labour-Spitzenkandidaten Jeremy Corbyn verschworen zu sein, da der Sender einen Parteikollegen als Johnsons Vertretung nicht akzeptiert habe. Außerdem reichten die Tories Beschwerde bei der britischen Medienaufsicht ein. Das wollte wiederum der leitende Nachrichtenredakteur von Channel 4 nicht so stehen lassen - und warf den Tories vor, auf einem "gefährlichen Weg" zu sein. 

Die Metapher des langsamen Abtauens und Verschwindens kann sich kein Politiker kurz vor einer Wahl wünschen. Die Eis-Performance hat sich erneut als einfach, aber effektvoll erwiesen. Das Bild der schmelzenden Skulptur mit der Aufschrift "Conservatives" wird man so leicht nicht wieder los.