Post-Instagram

Wie weiter mit Amalia Ulman?

Foto: instagram.com/amaliaulman
Foto: instagram.com/amaliaulman

Instagram ist todlangweilig. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Ausnahmen bestätigen zwar immer die Regel, aber wenn man genau hinsieht, ist Instagram die Plattform, auf der Fotografie zum Meme wird. Weil es um Beliebtheit und Erfolg geht, die sich in Zahlen messen lassen. Und weil die Zahlen der Likes und Follower für alle sichtbar sind, kann man sich mit all den anderen Nutzern der Plattform vergleichen. Man schaut bei diesem Account mit 573.000 Followern und bei jenem mit 398.000 Followern und versteht irgendwann, welche Motive und Kompositionen funktionieren. Symmetrie, Postkartenmotive und Wendeltreppen zum Beispiel. Wie man ja auch weiß, wenn man ein bisschen auf Facebook und Twitter mitliest, dass das Internet es seit einiger Zeit sehr lustig findet, wenn man den unbestimmten Artikel durch eine Zahl ersetzt und Sätze wie diesen twittert: "Kunstkritiker, was ist das für 1 Job vong Perspektive her?"

So ist auch Amalia Ulman vorgegangen, als sie sich den Plot für ihre Performance "Excellences & Perfections" überlegte, die sie zwischen April und September 2014 auf Instagram postete. Sie hatte sich zuvor auf Instagram umgesehen und in ein Kunstprojekt übersetzt, was sie dort beobachtet hat. Das ist ihr so gut gelungen, dass sie ihre damals knapp 5.000 Follower täuschen konnte. Ihr wurde die Geschichte abgenommen, die sie in 180 Beiträgen auf Instagram erzählte. Die Geschichte des Mädchens aus der Provinz, das in die Großstadt zieht, um Model zu werden, das sich die Brüste vergrößern lässt, sich einen Sugardaddy anlacht, auf die schiefe Bahn gerät, abstürzt – Drogensumpf, Nervenzusammenbruch, Heulerei auf Instagram – und Dank Yoga und Avocado-Toast wieder zu sich findet. Happy End. Die Auflösung: Alles nur gespielt.

Amalia Ulman ist jetzt also "The First Great Instagram Artist", wie kürzlich eine Überschrift lautete. Der "Telegraph" ließ das Wort "Meisterwerk" fallen, wenn auch in Verbindung mit einem Fragezeichen: "Is this the first Instagram masterpiece?" Oft schwingt in Überschriften bewundernd mit, dass es ihr gelungen ist, Menschen zu täuschen: "The Instagram artist who fooled thousands" ("BBC Culture"), "The Instagram hoax that became an art-world sensation" ("Slate") und das Ergebnis: "Instagram artist to feature in major Tate exhibition" ("Dazed").

Amalia Ulman selbst gefällt das nicht. Der Erfolg natürlich wird ihr schon gefallen. Sie hatte sicherlich nichts dagegen, dass ihre Performance gleich in zwei Ausstellungen in London zu sehen war, die eine davon, "Perfoming for the Camera", in der Tate.

Was ihr jedenfalls missfällt und das hat sie aktuell in einem Interview deutlich formuliert: Sie möchte nicht als Instagram-Künstlerin bezeichnet werden. Weil, wie sie sagt: "I hate Instagram – I used it because it's there, not because I like it." Instagram hasst sie also, das ist okay. Und es ist nur zu verständlich, dass sie nicht als Instagram-Künstlerin bezeichnet werden will, denn Künstler, die Videos auf YouTube stellen, werden nicht YouTube-Künstler genannt, wie sie ganz richtig anmerkt. Man unterscheidet ja auch nicht zwischen Zeitungslesern, Buchlesern, Magazinlesern usf. Ihr wäre das Label "Netzkunst" lieber, aber man kann sich eben nicht aussuchen, was Kunstkritiker über die eigene Arbeit schreiben.

Dann beschwerte sie sich im Interview noch ein bisschen über die Clickbait-Kultur, und das ist der Moment, in dem man ihr als Leser gerne ins Wort gefallen wäre. Denn ihre Performance war auf Aufmerksamkeit aus, die sich auf Instagram in Likes und Followerzuwachs messen lässt. Wenn sie sich in Unterwäsche vor dem Spiegel fotografiert oder ein T-Shirt mit der Aufschrift "Pretty Please" trägt und süß lächelt, während sie vor dem Spiegel mit dem Smartphone ein Selfie macht, geht es ihr um Kommentare wie "You're gorgeous", "You're so pretty" oder "You're such a babe" und um möglichst viele Likes, um Klicks also.

 

Das macht ihre Performance nicht schlechter, ganz im Gegenteil. Sie hatte die Plattform Instagram und die Bildsprache so gut studiert, dass sie genau wusste, welche Inhalte klicken und wie die Inhalte erzählt werden müssen, damit ihre Follower ihr die Geschichte abkaufen. Wäre ihr das nicht gelungen, hätte es keine Performance gegeben. Clickbaiting vom Feinsten also.

Was macht Amalia Ulman jetzt eigentlich, wo doch mittlerweile jeder weiß, dass sie ihre Follower gern zum Narren hält? Sie macht Skulpturen. Eine davon ist im Skulpturenpark in Köln zu sehen.

Von Freitag (18 Uhr) an bis Sonntag ist der Berliner Projektraum Savvy Contemporary mit einem Programm aus Performance, Dialog und Musik im Berliner Theater HAU Hebbel am Ufer zu Gast. Unter dem Titel "That Around Which the Universe Revolves – On Rhythmanalysis of Memory, Times, Bodies in Space" erforscht das dreitägige Forschungs- und Ausstellungsprojekt Wechselbeziehungen zwischen Raum und Zeit, Erinnerung, Architektur und Stadtplanung mit der Konzeption der Rhythmusanalyse des marxistischen Soziologen, Intellektuellen und Philosophen Henri Lefebvre. Unter den teilnehmenden Künstlern sind unter anderem Akinbode Akinbiyi, Jacques Coursil, Petina Gappah, Gintersdorfer/Klaßen, David Muoz, Dorothee Munyaneza und Robin Rhode. Begleitend findet noch bis zum 28. Januar 2018 eine Ausstellung in der Galerie von Savvy Contemporary statt.

Bild: Gintersdorfer/Klaßen in Harare


Sie macht Videos. Eines davon trägt den Titel "International House of Cozy". (Hier das Script.)

 

Eigentlich geht es auch hier um die Generation Instagram, die es sich in den eigenen vier Wänden oder in Cafés gemütlich macht. Um zeigen zu können, wie es so ist, das Leben als Hipster, der sich über die Aesop Flasche im Badezimmer und das Kinfolk Magazin auf dem Eames Plastic Chair definiert. Ulman durchbricht diese Stereotype und führt sie ad absurdum, indem sie die Hipster-Romantik auf Porno-Klischees treffen lässt. Wo ist er hin, der gute Geschmack?

Sie macht wieder eine Performance auf Instagram. Vor ein paar Wochen wurde ich per Mail gefragt, was ich denn von der Schwangerschaft von Amalia Ulman hielte. Ich antwortete etwas wie: Schwanger, kann passieren, vielleicht stimmt es. Vielleicht auch nicht, denn vielleicht ist es wieder eine Performance. Amalia Ulman schiebt jetzt also eine Kugel vor sich her und beklagt sich über Übelkeit in der Schwangerschaft.

 

Vor 36 Wochen hatte sie ein Foto von einem positiven Schwangerschaftstest geteilt, ihre Follower gratulierten ihr freudig. Kurz zuvor ließ sie durchblicken, dass sich möglicherweise etwas anbahnt. "No period yet bye", schrieb sie, als wäre es das normalste von der Welt, sich öffentlich Gedanken über eine mögliche Schwangerschaft zu machen.

No period yet bye

Ein von Amalia's Instagram (@amaliaulman) gepostetes Foto am

 

Das erste Bild mit Babybauch folgte wenige Wochen später. Seither wächst und wächst der Bauch. Ihre neue Performance mit dem Titel "Privilege" war als Installation auch auf der 9. Berlin Biennale zu sehen. Auf Instagram soll es noch bis zum Ende der Präsidentschaftswahlen damit weitergehen.

Ein von Amalia's Instagram (@amaliaulman) gepostetes Foto am

 

Vor 22 Wochen postete sie ein Bild von sich im weißen Hemd, mit Krawatte um den Hals, einer Hand am Babybauch und einem Lächeln im Gesicht. Daneben der Text: "I finally did it. I'm finally part of the problem." Und in der Bildunterschrift fasste sie in Großbuchstaben zusammen: "EMPOWERED".

EMPOWERED

Ein von Amalia's Instagram (@amaliaulman) gepostetes Foto am

 

Ihre männlichen Follower fassen solcherlei Statements als Provokation auf und reagieren entsprechend provokant: "sum dude is about to pay some child-support". Und dann fragt man sich, ob sie nicht mittlerweile selbst Teil des Problems ist, das sich Clickbaiting nennt. Mit ihrer ersten Performance konnte sie überzeugen, weil niemand damit rechnete, dass es sich um ein Kunstwerk handelte. Jetzt liegt der Verdacht allzu nahe, die Arbeit war auf der Berlin Biennale zu sehen, sie hat in Interviews bereits darüber gesprochen, auch darüber, worum es ihr inhaltlich geht. Um die Thematisierung der Unvereinbarkeit von Schwangerschaft, gewissen Rollen des Arbeitslebens und der Kunstwelt, wie auf der Website der Biennale nachgelesen werden kann. Auch wenn Amalia Ulman eine Message hat, hinterlässt die Performance das komische Gefühl, ein guter Freund würde einen Witz zum zweiten, dritten und vierten Mal erzählen und man selbst lacht nur noch etwas verlegen aus Höflichkeit. Da trifft es sich gut, dass Amalia Ulman Instagram hasst, vielleicht reicht es ihr jetzt. Ein neuer Witz fällt ihr bestimmt ein.