Düfte als Kunst

Das Parfum

Wer berühmt ist, bringt einen eigenen Duft auf den Markt. Nur in der Kunst sind Gerüche erstaunlich unterrepräsentiert. Anicka Yi will das ändern. Ihre Parfum-Linie erinnert an vergessene Frauen der Kulturgeschichte

In der Mode, in der Musik und sogar im Sport ist es fast ein Automatismus: wer Erfolg hat, bringt früher oder später ein Parfum heraus. Und so duften auch Normalsterbliche nach Coco Chanel, Marc Jacobs, Rihanna oder Gabriela Sabatini - wenn gespart werden muss auch nach Boris Becker, Christina Aguilera oder Naomi Campbell aus der Drogerie. 

Nur Künstler tun sich mit dem Kreieren von Düften ein wenig schwer. Auch wenn Marcel Duchamp in seinem "Alles-schon-gemacht"-Oeuvre natürlich das Flakon-Readymade "Eau de Voilette" zu bieten hat. Und man sich irgendwie gut vorstellen kann, dass Jeff Koons nach "Cool Water" riecht.

Der Geruchssinn ist in der Kunst mit Abstand der Unterbeschäftigtste. Ein Zustand, den die New Yorker Künstlerin Anicka Yi mit natürlichen und synthetisch erzeugten Düften in ihrer Arbeit ändern will. An der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft beschäftigt sie sich mit der Frage, wie Gerüche als Informationsträger und Datensatz begriffen werden und unsere Definition von Realität verändern können.

"Wir können überdenken, was Weiblichkeit bedeutet"

Fast folgerichtig bringt sie nun zusammen mit dem Design-Kaufhaus Dover Street Market die Parfum-Linie "Biography" auf den Markt. Mit jedem Duft will die Gewinnerin des renommierten Hugo-Boss-Preises 2016 an eine "radikal feministische Figur" der Kulturgeschichte erinnern. "Ich habe mir vor 12 Jahren geschworen, eine Reihe von Parfums zu kreieren, die auf bemerkenswerten Frauen basiert, die im Laufe der Geschichte vergessen wurden", sagt Anicka Yi. "Mit neuen Technologien können wir überdenken, was es bedeutet, weiblich zu sein. Wir können unser Denken darüber erweitern, was Geschlecht ist und werden kann."

Die Linie "Biography" besteht aus drei Düften. "Shigenobu Twilight" ist der Gründerin der linksradikalen Untergrundbewegung "Japanische Rote Armee", Fusako Shigenobu, gewidmet und enthält Noten von Zeder, Thymian, Weihrauch, Shiso und schwarzem Pfeffer. "Radical Hopelessness" gedenkt der ägyptischen Pharaonin Hatshepsut und riecht nach Patchouli, Iris, Wacholder und Sandelholz. Der dritte Duft "Beyond Skin" imaginiert eine künstliche Intelligenz, die die Geschichten aller Frauen erzählt und miteinander verwebt. Dafür stehen scharfe Rose, Seetang - und ein Drüsensekret der Zibetkatze (nachtaktives Säugetier aus der Familie der Schleichkatzen). 

Flakons mit echten Insekten

Anicka Yi vermischt in ihrer Arbeit immer wieder Stoffe verschiedenen Ursprungs: pflanzliche, tierische, künstliche und auch menschliche. Für sie repräsentiert diese Mischung eine intersektionale Welt, in der sich Tiere, Pflanzen, Menschen und Maschinen nicht mehr gegeneinander positionieren und sich ständig wandeln können.

Tierschützer dürften mit ihren Flakons, die gleichzeitig Editionen sind, trotzdem nicht besonders glücklich sein. In den Glasgefäßen, die für 250 Dollar zu haben sind, sind echte Fliegen, Marienkäfer und Ameisen eingearbeitet. 

"Biography" wurde am gestrigen Donnerstag in der New Yorker Filiale des Dover Street Market vorgestellt. Dabei performte Anicka Yi auch mit einem "Duft-Synthesizer", der spontan Gerüche anmischt.