Anthony d’Offay

Anthony d’Offay

Der 69-jährige Galerist Anthony d’Offay hat seine Privatsammlung dem britischen Staat vermacht und schickt die Werke in Ausstellungen quer durch sein Heimatland


Herr d’Offay, Sie hätten sich mit einem eigenen Haus ein Denkmal setzen können, wie es derzeit so beliebt ist. Stattdessen haben Sie Großbritannien mehr als 700 Ihrer Kunstwerke für einen Spottpreis überlassen. Warum?

Die Vorstellung von einem statischen Museum, an dem dick der Name des Besitzers über der Tür prangt, gefällt mir nicht. Und ich muss sagen, dass ich von den wenigsten Privatsammlungen überzeugt bin. Mein Ansatz ist ein völlig anderer: Zum einen will ich mit den Arbeiten die nationalen Bestände ergänzen. Zum anderen war mein Wunsch, dass die Kunst zu den Menschen kommt und nicht umgekehrt wie sonst. Deshalb habe ich der Tate Gallery und den National Galleries of Scotland meine Werke gegeben – damit sie in den sogenannten Artists Rooms überall im Land gezeigt werden.

 

Das heißt immer ein Künstler pro Museum?

Ja, insgesamt haben wir 50 Artists Rooms, überwiegend in kleinen Provinzhäusern, wobei wir die Räume an den einzelnen Stationen mit immer wieder anderen Werkkomplexen eines Künstlers bestücken werden. Mir gefiel der Gedanke, dass die Einwohner von Bexhill in East Sussex jetzt eine großartige Beuys-Ausstellung haben oder man im schottischen Inverness Robert Mapplethorpes Porträtfotografien sehen kann. Ich möchte keine Reiche-Leute-Veranstaltung, es soll tatsächlich um Erziehung gehen. Ich ziele auf junge Leute ab, kunstferne Menschen.

 

Sie sind selbst in der Provinz groß geworden.

In der Nähe von Leicester, wo es ein kleines Museum mit ausgestopften Tieren und Vogeleiern gab. Unser Land ist, was Gegenwartskunst betrifft, bis heute nicht gut aufgestellt. Anders als in Deutschland oder auch den USA sind hier fast alle Häuser kostenlos zugänglich, aber dafür fehlen vielen die finanziellen Mittel. Auch konzentriert sich die Kunstszene beinahe ausschließlich auf London und allenfalls noch Edinburgh, während es in Deutschland ja überall im Land herausragende Institutionen gibt. London war für mich als Jugendlicher so weit weg wie der Mond.

 

Wie sind Sie dann zur Kunst gekommen?

Meine erste Auseinandersetzung hatte ich als Student in der National Gallery of Scotland – die wohl wichtigste Erfahrung meines Lebens. Als unglückliches und sehr einsames Kind war die Begegnung mit Kunst wie eine mit der Wahrheit, die Werke wurden zu meinen Freunden. Im Idealfall erreichen wir das jetzt auch mit den Artists Rooms: dass ein Teenager sich Mapplethorpe anschaut oder Diane Arbus und sich darüber mit Fragen der Identität, der Sexualität, der Sterblichkeit auseinandersetzt, sich in der Geschichte verorten kann.

 

Sie haben dann mit gerade mal 25 Jahren Ihre erste Galerie eröffnet.

Ja, aber zur zeitgenössischen Kunst kam ich erst einige Zeit später. Mit Mitte 30 heiratete ich Anne Seymour, sie war damals Kuratorin an der Tate und sagte zu mir: „Du könntest jetzt mal eine moderne Person werden!“ 1980 haben wir dann unsere neuen Räume mit einer großen Beuys-Schau eröffnet – da war ich dann also „modern“ geworden.

 

Ihre Galerie erlangte schnell Weltruhm: Sie haben Warhol, Kiefer und Gerhard Richter gezeigt, Gilbert & George, Rachel Whiteread und die Young British Artists. Warum stellten Sie den Betrieb 2001 ein?

Wir hatten zu dieser Zeit rund 40 Künstler und 35 Mitarbeiter, waren die wahrscheinlich größte Galerie Europas, und London war zum Zentrum für Gegenwartskunst geworden. Mit anderen Worten: Ich hatte alles erreicht, was ich wollte. Ich war 60 und Teil des Establishments – höchste Zeit, auszusteigen und etwas Neues zu machen. Außerdem veränderte sich zu dieser Zeit die Galerienszene sehr.

 

Wie meinen Sie das?

Nun, Ziel meiner Arbeit als Galerist war immer, die Künstler in die Museen zu bringen. Das ist heute eine fast altmodische Ansicht. Ich glaube, der Pop-Künstler Takashi Murakami hat neulich in einem Interview gesagt, dass solche Institutionen nur noch etwas für die Alten und Arrivierten seien. Genau das glaube ich eben nicht.