Contemporary Istanbul

Anti-Miami-Programm: Die Kunstmesse am Bosporus hat sich etabliert

Etwas Chuzpe braucht man schon, um eine Kunstmesse zum gleichen Zeitpunkt wie die Art Basel / Miami Beach abzuhalten und sie auch noch als „The New Art Destination“ zu bewerben. Aber wie die fünfte Ausgabe der am Sonntag zu Ende gegangenen Contemporary Istanbul bewies, zahlt sich kalkulierte Hybris manchmal aus. Gewiss, mit einem Umsatz von ungefähr 14 Millionen Dollar und etwas weniger als 50000 Besuchern, kann die junge Veranstaltung am Bosporus kaum mit den anderen etablierten Herbstmessen mithalten. Aber in den Kinderschuhen steckt sie nicht mehr. Und auch wenn große Teile immer noch von Kitsch und Kunstgewerbe bestimmt werden, mit Veranstaltungen ähnlicher Größe – etwa die Art Karlsruhe, die Vienna Art Fair oder die Cologne Fine Arts – hält man in Istanbul nicht nur mit, sondern bot dieses Jahr auch noch ein sehr viel spannenderes, zukunftsträchtigeres Profil.
 
„Obwohl die großen Messen in vielerlei Hinsicht unsere Vorbilder sind, wollen wir nicht das Gleiche wie in Basel oder London machen“, sagt Ali Güreli, der wirtschaftliche Leiter der Contemporary Istanbul. „Die Stadt hat eine 5000-jährige Geschichte, die unterschiedlichsten Kulturen treffen hier aufeinander. Unsere Messe soll das reflektieren. Wir wollen zum Anlaufpunkt nicht nur für türkische Kunst, sondern auch für Kunst aus dem Nahen Osten, aus dem Balkan, vom Schwarzen Meer und der östlichen Mittelmeerregion werden.“
 
Dass dieses ehrgeizige Projekt ansatzweise schon funktioniert, liegt vor allem an türkischen Sammlern wie Sevda und Can Elgiz, Mustafa Taviloglu, Veda Sadioglu oder Munir Özkök, die vom lokalen Wirtschaftswachstums der letzten Jahre profitiert haben. Sie gründen Privatmuseen und unterstützenden den Messestandort in der 13-Millionen-Einwohner-Metropole aus Überzeugung.
 
Was es an guter Kunst auf der Messe gab, wurde auch verkauft. Der Stand von Galerist etwa, Istanbuls bekanntester Galerie, war schon nach den ersten beiden Messetagen komplett leergekauft. Drei Fotos von Thomas Ruff waren darunter (zwischen 50000 und 80000 Dollar), zwei Bilder von Julian Opie (17000 und 20000 Dollar) und Werke der türkischen Malergrößen Taner Ceylan und Haluk Akakce (zwischen 24000 und 45000 Dollar). Zeitgleich zur Messe eröffnete Galerist auch eine Ausstellung mit den zarten, nostalgisch angehauchten Fotos des schwulen, ägyptischen Künstlers Youssef Nabil, der zur Eröffnung seine Freundin Kate Moss mitbrachte. Auch diese Schau war schnell ausverkauft, die Bilder des zurzeit in London lebenden Nabil alleine waren die Reise nach Istanbul wert.
 
Noch ist der Markt sehr regional. Von den zum ersten Mal anwesenden Berliner Galerien – Tammen, Alexander Ochs, Sandmann oder Brockstedt – hörte man viele Klagen darüber, dass türkische Sammler vor allem bei türkischen Galerien kauften. Was allerdings auch an den schwachen Ständen gelegen haben dürfte, die man hier präsentierte. Was wirklich sehenswert war, brachte man auch in den Istanbul an den Sammler, bei Brockstedt etwa eine große Stadtlandschaft des noch relativ unbekannten, 31-jährigen Leipziger Malers Tino Geiß (6500 Euro). Wesentlich positiver berichtete Anna von Bodungen, die Direktorin der Galerie Berlin Art Projects, vom familiären Klima der Messe, an der sie schon zum vierten Mal teilnahm. Viele türkische Sammler würden die Galerie inzwischen kennen und kauften jedes Jahr, diesmal Werke der Berliner Künstler Meike Zopf und Thomas Fleischhauer (4300 bis 8500 Euro).
 
2010 wird Istanbul die Kulturhauptstadt Europas werden, die türkische Regierung hat Fördermittel in Höhe von einer Milliarde Dollar bereitgestellt, um der Welt zu zeigen, dass man mit der Metropole in Zukunft rechnen muss. Auch Messeleiter Ali Güreli freut sich auf das nächste Jahr. Nicht nur habe man schon jetzt damit begonnen, die Aktivitäten von Contemporary Istanbul auszuweiten – die Ausstellung türkischer Kunst in der Berliner Akademie der Künste wurde von der Messeleitung mitorganisiert, man arbeitet aktiv an einer neuen Museumsinsel am Goldenen Horn, hat Künstlerförderungen initiiert und macht Lobbyarbeit bei der türkischen Regierung für Steuererleichterungen für Kunst. Sondern für 2010 wird auch die Messefläche verdoppelt werden, um die Veranstaltung großzügiger zu gestalten und mehr Raum für Sonderveranstaltungen zu bieten. Und schließlich will Güreli auch den ungünstigen Termin der Messe verschieben. Ab 2010 wird die Contemporary Istanbul in der dritten Novemberwoche stattfinden – um auch internationalen Sammlern die Möglichkeit zu geben, an den Bosporus zu kommen.