Streit um Privatsphäre

Anwohner der Tate Modern verlieren Prozess

Die Nachbarn der Londoner Tate Modern wollten vor Gericht erwirken, dass Teile der Aussichtsplattformen des Museums abgeschirmt werden. Den Prozess haben sie nun verloren

Fünf der Anwohner sind vor Gericht gezogen, damit das Ausstellungshaus den Balkon im zehnten Stock des Blavatnik Building, dem 2016 eröffneten Anbau, verhängt. Die Anwältin der Kläger, Natasha Rees, sagte der Website "Artnet-News", dass ihre Klienten erwägen, in eine höhere Instanz zu ziehen. "Die Schritte, die die Tate unternommen hat, um neugierige Blicke zu vermeiden, waren nicht effektiv. Meine Klienten und ihre Familien müssen mit diesem täglichen Eingriff in ihre Privatsphäre leben."

Die Nachbarn der Tate Gallery of Modern Art klagen schon seit der Eröffnung des Anbaus im Jahr 2016 über die Blicke von der Aussichtsplattform des Museums. So sagte ein Bewohner des benachbarten Neo-Bankside-Hauses, 2012 fertiggestellt und beinahe rundum verglast, vor Gericht: "Wenn unsere Jalousien oben sind und die Aussichtsplattform in Benutzung ist, stehen wir eigentlich unter ständiger Beobachtung. Die Menschen auf der Plattform winken, fotografieren und filmen uns." 

Nicht gerade zur Schlichtung beigetragen hat eine Aktion des deutsch-namibischen Künstlers Max Siedentopf. Er findet, der Blick von der Aussichtsplattform in das Privatleben der Nachbarn sei das größte Kunstwerk der Tate. Deshalb hat der junge Künstler ein Dutzend Ferngläser auf der Aussichtsplattform installiert. Verletzt das nicht die Privatsphäre der Anwohner? "Vielleicht. Aber man kann ohnehin da hineinschauen, und mit den Ferngläsern kann man nun die beliebteste Attraktion besser sehen", sagte Siedentopf . Die Tate brachte bald nach Eröffnung der Aussichtsplattform Hinweise an, die der Künstler nun als Wandtext für seine Arbeit benutzte: "Bitte respektieren Sie die Privatsphäre unserer Nachbarn."

Die Ironie der Situation reize ihn, sagte Siedentopf, denn: "Diese Leute haben riesige Fenster, um ihre schicken Wohnungen zu zeigen, aber dann darf niemand reinschauen. Nick Serota, der ehemalige Direktor der Tate, hatte die großartige Idee: Sollen sie sich doch Vorhänge kaufen." Ob die Installation vom Museum autorisiert sei, ließ der Künstler im Unklaren: "Es ist eher so: nicht nach einer Erlaubnis fragen, sondern hinterher um Entschuldigung bitten."

Der 2016 fertiggestellte pyramidenartige Anbau des Museums erweiterte die Ausstellungsfläche um 60 Prozent. Entworfen wurde er vom Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron, und der damalige Direktor Nick Serota sagte, die Erweiterung sei "nicht nur ein Anbau, sondern eine völlig neue Tate Modern mit einem neuen Blick auf die Welt."