"Das war kein Unfall"

Architekt Renzo Piano übt nach Brückeneinsturz scharfe Kritik

Foto: Luca Zennaro/ANSA/AP/dpa
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Die Autobahnbrücke im Westen Genuas ist auf einem 100 Meter langen Teilstück eingestürzt

Der Architekt Renzo Piano hat sich zu dem Unglück in seiner Heimatstadt Genua und dessen Ursachen geäußert

"Das war kein Unfall", sagte der italienische Architekt Renzo Piano über den Einsturz der Morandi-Brücke in Genua. Am Dienstag ist ein 100 Meter langes Teilstück der insgesamt etwa einen Kilometer langen Brücke eingebrochen, die Zahl der Todesopfer beträgt bisher 37. Der Staatspräsident Sergio Mattarella nannte das Unglück "erschreckend und absurd". Die Behörden vermuten eine Schwäche der Bausubstanz, die dann in Verbindung mit starken Regenfällen dafür sorgte, dass Teile des Fundaments aufgeweicht sind.

Am Dienstag fragte die Tageszeitung "La Repubblica" Renzo Piano nach seiner Einschätzung. "Ich dachte sofort an die Opfer und die Wunde, die in der Stadt hinterlassen wurde," sagte der in Genua geborene Architekt. 

Er sieht als Ursache vor allem eine gewohnheitsmäßige Nachlässigkeit: "Ich hoffe, dass der Zusammenbruch dieser Brücke uns das bringen wird, von diesem 'passt schon' loszukommen." Der Einsturz des Bauwerks aus den 60ern hätte, so Piano, verhindert werden können. Das Werkzeug dafür stehe zur Verfügung: "Zum Beispiel können wir mit Hilfe von Thermografie den Zustand des Untergrunds bestimmen, ohne eine Bohrung vorzunehmen, ganz ähnlich wie in der medizinischen Diagnostik." 

Der Architekt des Pariser Centre Pompidou findet harte Worte für die vernachlässigte Wartung: "Diesem Unglücksfall hat die Wissenschaft etwas entgegenzusetzen: Italien ist ein Land großer Architekten, brillanter Designer und Wissenschaftler, aber das wird nicht angewandt. Vor der Renovierung hätte eine Diagnose stehen müssen. Brücken und Häuser sollten wie lebende Organismen behandelt werden. In Italien wird moderne Ausrüstung dafür produziert — aber wir wenden sie nicht an."