Art of Projection

 

In den Welten von Kunst und Technik sind 45 Jahre eine lange Zeit. Knatterten in Dan Grahams „Body Press“-Installation noch die Projektoren, erscheinen in Pipilotti Rists jüngsten Video-Environments die Bilder quasi magisch an den Wänden. War der 16-mm-Film für zwei Generationen von Medienkünstlern noch ein Heilsbringer, legen Museen und Sammler heute in penibel ausgehandelten Verträgen die Übertragungsmodalitäten der DVD-Streams auf die kommenden, noch unbekannten Bildmedien fest. Das bewegte Bild ist die künstlerische Lingua franca unserer Tage – und Media-Art ein altes Genre.
Der Fokus des von Stan Douglas herausgegebenen Sammelbands „Art of Projection“ ist dementsprechend ein historischer. Als Autoren hat er Experten aus der ganzen Welt gewonnen, die Mediengeschichte von sehr unterschiedlichen Punkten aus aufrollen. Beatriz Colomina zum Beispiel schreibt über die Geburtsstunde des simultanen Multikanalvideos bei einer amerikanischen Produktschau im Moskau von 1959. Ein auf mehrere Monitore verteilter Propagandafilm von Charles und Ray Eames sollte die Russen atemlos neidisch machen. Gregor Stemmrich und Branden W. Joseph analysieren die bahnbrechenden Bildstrategien von Andy Warhol und Dan Graham, ohne die Medienkunst nicht das wäre, was sie heute ist. Sven Lütticken wendet sich gegen die Ideologisierung in der Videokunst der frühen 90er-Jahre, die vor allem auf politische Gegenmodelle zu den Bildern der Mainstream-Kultur zielte.
Die beiden bekanntesten Autorinnen des Bands – Mieke Bal und Mary Anne Doane – liefern den psychoanalytischen, performancetheoretischen und medienphilosophischen Überbau für die Befassung mit dem Genre. Obwohl der unvermeidlich akademische Lacan-Derrida-Agamben-Jargon nervt, sind es kluge Texte über die träumerische, unreale Qualität bewegter Bilder und über die Art, wie sie unsere Suchtanfälligkeit kitzeln. Bal und Doane umreißen die performativen Effekte von Projektionen auf unsere sensibilisierten Körper und Psychen – die Wirksamkeit also, die sie ganz unabhängig von ihren Inhalten besitzen.
Alle Autoren von „Art of Projection“ kommen dabei immer wieder auf eine Annahme zurück: Die Geschichte der Medienkunst ist immer auch Technikgeschichte. Stan Douglas selbst bringt diese Idee in einem Interview mit Kurator Christopher Eamon pragmatisch auf den Punkt. Seine Arbeiten bezeichne er inzwischen nur noch als „Skulpturen“, erzählt er da nicht ohne einen Hauch von Nostalgie. So könne er juris­tisch verhindern, dass die Vorführapparate aus seinen Installation herausgelöst und die Filme auf DVDs kopiert werden. Douglas will damit die ureigene Aura des Filmbildes schützen. Ein altes Genre bringt eben auch alte Meister hervor.

 

Stan Douglas und Christopher Eamon (Hg.): „Art of Projection“. 192 Seiten. Hatje Cantz. 29,80 Euro