Zum Tod von Frieder Burda

Auf der Suche nach dem Herzklopfen

Frieder Burda vor dem nach ihm benannten Museum in Baden-Baden
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Frieder Burda vor dem nach ihm benannten Museum in Baden-Baden

Für ihn musste Kunst ein Gefühlsrausch sein: Der Verlegerssohn Frieder Burda kehrte den Druckerpressen den Rücken und wurde einer der wichtigsten Sammler in Deutschland. Jetzt ist er im Alter von 83 Jahren gestorben 

In Baden-Baden ist das Museum Frieder Burda nicht mal beim Kaffeetrinken wegzudenken. Zu jeder Ausstellung im lichten Kastenbau an der Spaziermeile Lichtentaler Allee gibt es in den Cafés der Stadt die passenden Zuckerpäckchen. Süße Tütchen mit Werken von James Turrell oder Ernst Ludwig Kirchner oder einer Ansicht aus dem Centre Pompidou.

Der Kunstsammler aus der bekannten deutschen Verlegerfamilie Burda hat sich in seiner Heimatstadt in mehrfacher Hinsicht ein Denkmal gesetzt. Der Glaskubus von Star-Architekt Richard Meier, der bei seiner Errichtung 2004 noch für Empörung bei der Baden-Badener Bevölkerung gesorgt hatte, gehört inzwischen so unerschütterlich zu den Sehenswürdigkeiten der Kurstadt wie die römischen Bäder. Und auch seine Sammlung hat er stets mit der Öffentlichkeit geteilt. Durch seine Kunst wird der Ehrenbürger von Baden-Baden auch nach seinem Tod weiter ein fester Bestandteil der deutschen Kunstlandschaft bleiben. 

Ein Fontana als Rebellion 

Frieder Burda wurde am 29. April 1936 in Gengenbach, Baden-Württemberg, geboren und wuchs mit seinen Brüdern Franz (1932 - 2017) und Hubert (geb. 1940) in Offenburg auf. Obwohl er in verschiedenen Bereichen im elterlichen Verlagshaus tätig war, gehörte seine Leidenschaft nicht unbedingt dem Zeitungspapier, sondern vielmehr den bemalten Leinwänden. Am Druckergeschäft hatte er, wie er öfter betonte, eher wenig Freude - auch wegen des schwierigen Verhältnisses zum übermächtigen Vater. Erst nach dessen Tod 1986 schwamm sich der mittlere von drei Söhnen frei und verließ das Unternehmen. Seine ersten Kunstwerke besaß er aber schon früher. Im Jahr 1968  kaufte er ein aufgeschlitztes Bild von Lucio Fontana, das er auf der Documenta in Kassel gesehen hatte - eine Geste, die man durchaus als Rebellion verstehen kann, denn sein Vater hatte hauptsächlich deutschen Expressionismus gesammelt.

Es folgten Werke von Pablo Picasso, Max Beckmann, Jackson Pollock, Willem de Kooning, Mark Rothko, Alex Katz, Gerhard Richter, Georg Baselitz und Sigmar Polke. Bilder, die ihm "Herzklopfen" verursachten, wie er es einmal ausdrückte. Ob sie bei diesen starken Gefühlen gegenüber Kunst mitschwingen, können Besucher seit 2004 im Museum Frieder Burda in Baden-Baden überprüfen, in dem die Werke ein Zuhause gefunden haben.

Von klassischer Moderne bis Banksy 

Doch längst geht das Konzept des Hauses über einen Ort zur Sammlungspräsentation hinaus. Im vergangenen Jahr kamen allein zu einer Ausstellung des US-Lichtkünstlers James Turrell 80.000 Besucher, Anfang 2019 zeigte das Museum als erste Kunstinstitution Banksys Luftballon-Bild "Love is in The Bin", das während einer Auktion geschreddert und so zu einem der meistdiskutierten Werke der Welt wurde. "Unser Konzept hat drei Säulen", sagte der Museumsdirektor Henning Schaper 2018 im Monopol-Gespräch."Wir wollen die Sammlung neu erkunden oder in den Dialog mit anderen Sammlungen setzen. Dann wird es weiterhin Ausstellungen zur klassischen Moderne geben, das passt einfach zu uns. Aber wir werden auch immer wieder Überraschendes zeigen, das nicht zwingend in der Sammlung sein muss."

Obwohl Frieder Burda das operative Geschäft schon vor einigen Jahren abgegeben hatte, verfolgte er bis zuletzt die Arbeit in seinem Museum. Ein Verhältnis aus "Freiheit und Vertrauen", wie es Henning Schaper ausdrückt. Verantwortung für seine Sammlung hat Frieder Burda an seine Stieftochter Patricia Kamp abgegeben, die unter anderem den Projektraum des Museums, den Salon Berlin, in der Auguststraße in Mitte leitet. Hier soll mit der Sammlung als Ausgangspunkt der Puls der Gegenwartskunst gefühlt werden. "Für ihn [Frieder Burda] ist es sehr wichtig dass die Sammlung lebendig bleibt", erzählte Patricia Kamp 2016 im Monopol-Interview

Kunst gegen die Krisen

Für den Sammler hatte Kunst immer mehr mit dem Herzen als mit dem Kopf zu tun - er traute ihr sogar Impulse zur Völkerverständigung zu. Im Katalog zur aktuellen Ausstellung in Baden-Baden, einer Kooperation mit dem Pariser Centre Pompidou, schrieb der Frankreich-Kenner und -Liebhaber: "Die Spiegelung der beiden Sammlungen, die Gegenüberstellung einzelner Werke deutscher und französischer Künstler zeigt, wie sehr die Kunst verbindet, sich über Grenzen hinweg positiv beeinflusst und ergänzt. Das macht mich froh und bestärkt mich im Glauben an das universell Verbindende der Kunst, ihre Gültigkeit und ihr Bestehenbleiben über alle Krisen hinweg." Nun ist der Sammler am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, in Baden-Baden gestorben.