Christos "Floating Piers" begeistern

Auf Wasser flanieren

Trockenen Fußes übers Wasser zu gehen - eine neue Großinstallation von Christo macht es möglich. Die Besucher kommen und sind begeistert. Bis zu einer Million Menschen werden auf den "Floating Piers" erwartet. Aber einmal wurden die Stege schon geräumt

Auf dem Wasser zu wandeln - diesen alten Menschheitstraum erfüllt die spektakuläre Installation "Floating Piers" des Projektkünstlers Christo im norditalienischen Iseo-See (mehr Fotos hier). Bereits am Samstag, dem Tag der offiziellen Eröffnung, spazierten den Organisatoren zufolge 55 000 Besucher über die drei Kilometer langen, gelb-orange schimmernden Stege. Sie verbinden den Ort Sulzano auf dem Festland mit der Insel Monte Isola und von dort mit dem kleineren Eiland San Paolo. Bis zum 3. Juli würden bis zu einer Million Menschen in der malerischen Region in der Lombardei erwartet, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa am Sonntag.

Christo (81) und sein Team hatten in den vergangenen Monaten 220 000 Schwimmwürfel aus Kunststoff zusammengeschraubt und dann mit dem dahliengelb-leuchtenden Polyamidgewebe überzogen, das je nach Lichteinfall die Farbe wechselt. Der Stoff wurde in der Nähe von Münster hergestellt und in Lübeck konfektioniert und vernäht. Insgesamt kostete das Projekt, das für jedermann rund um die Uhr gratis zugänglich ist, 15 Millionen Euro.

Viele Menschen hatten schon lange vor der Öffnung am frühen Samstagmorgen ungeduldig vor den Stegen ausgeharrt, die den See durchziehen. Den ganzen Tag über kamen bei zunächst sonnigem Wetter unablässig neue Besucher, um auf dem einzigartigen Kunstwerk zu flanieren. Auch am Sonntagmorgen waren Fähren, Züge und Busse aus den Nachbarorten bereits wieder prall gefüllt.

Jedoch mussten die Stege am Samstagabend plötzlich geräumt werden, als ein Gewitter mit starkem Regen über der Region aufzog. Innerhalb von sieben Minuten seien die "Floating Piers" leer gewesen, hieß es.

Die Besucher sollten das Werk "mit allen Sinnen" genießen und wie eine «Promenade» im Wasser betrachten, die zu ausgedehnten Spaziergängen einlade - am besten barfuß, sagte Christo der Deutschen Presse-Agentur. Die Stege, die nicht schaukeln, sondern die Bewegung des Wassers gewissermaßen in sich aufsaugen und nachempfinden, wurden von Tauchern mit 190 tonnenschweren Ankern auf dem Grund des Sees befestigt.

"Man spürt die Wellen im Gehen, ein ganz tolles Gefühl", schwärmte eine deutsche Besucherin, die vom Chiemsee an den Iseo-See gereist war. Unter den Gästen aus aller Welt waren besonders viele Deutsche. Die meisten Hotels in der Region sind schon seit Wochen ausgebucht.

Christo ist weltweit berühmt für spektakuläre Großprojekte und Verhüllungsaktionen, die er jahrzehntelang gemeinsam mit seiner 2009 gestorbenen Frau Jeanne-Claude verwirklicht hat. Die Idee zu schwimmenden Stegen hatten die beiden bereits 1970 entwickelt, aber erst jetzt gelang es Christo, den ehrgeizigen Plan zu realisieren. Es ist zudem das erste Großprojekt seit dem Tod seiner Frau. "Das ist eine echte Hommage an Jeanne-Claude", sagte der britische Christo-Fan Tim aus Oxford.

Zu den bekanntesten Werken gehören "Der Verhüllte Reichstag" (Berlin 1995), "Surrounded Islands" (Florida 1983) und "The Gates" (New York 2005). In Italien hatten Christo und Jeanne-Claude zuletzt 1974 ein Großprojekt durchgeführt. Damals verpackten sie einen Teil der Aurelianischen Mauer. Christo finanziert seine kurzlebigen Werke mit dem Verkauf von Skizzen und Bildern seiner Projekte.

 

Ein Interview mit Christo zu diesem Projekt lesen Sie in der aktuellen Monopol