100 Jahre De Stijl

Avantgarde für alle

Die Niederlande feiern den 100. Geburtstag der Künstlervereinigung De Stijl

"Es gibt ein altes und ein neues Zeitbewusstsein" – so eröffnet mit breiter Brust das Manifest der Künstler-und-Architekten-Vereinigung De Stijl aus dem Jahr 1918. "Das alte richtet sich auf das Individuelle. Das neue richtet sich auf das Universelle." Dem Zeitgenossen, der von der Ausstattung seines Autos über die Armaturen im Badezimmer bis zum Farbverlauf seiner Sneaker stets nach seinem persönlichen Geschmack gestalten lässt, muss jene Maxime merkwürdig veraltet, ja falsch vorkommen: Ein Produkt soll heute die Persönlichkeit des Kunden spiegeln, Design eine Identität haben, individuell kreiert aus einem möglichst breiten Fundus aus Materialen, Formen und Farben.

De Stijl, gegründet 1917 im niederländischen Leiden, propagierte Reduktion: Die Primärfarben Rot, Blau und Gelb sowie die Nichtfarben Schwarz, Grau und Weiß; gerade Linien und rechte Winkel – das waren die Bausteine einer geometrisch-abstrakten, puristischen Formensprache. Stil, so hatte es der Vordenker der Gruppe, der Maler Piet Mondrian, bei dem Mathematiker und Theosophen M. H. J. Schoenmaekers gelernt, war "das Allgemeine trotz des Besonderen". Nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, nach Chaos und Zerstörung strebte die Gruppe nach Ordnung und Harmonie.

Universelle Prinzipien sollten das Individuelle und Willkürliche ersetzen, egal ob es um die Gestaltung eines Bildes, eines Sessels oder eines Hauses ging. Wie später das deutsche Bauhaus vereinte De Stijl die unterschiedlichsten Disziplinen: Gründungsmitglieder waren neben Mondrian der Maler und Kunsttheoretiker Theo van Doesburg, die Architekten Robert van't Hoff, J. J. P. Oud und Jan Wils, die Maler Vilmos Huszár, Bart van der Leck und Georges Vantongerloo sowie der Dichter Antony Kok; etwas später schloss sich auch der Architekt Gerrit Rietveld der Gruppe an.

Unter dem Titel "Mondrian to Dutch Design. 100 years of De Stijl" haben die Niederlande jetzt ein ganzjähriges Jubiläumsprogramm aufgelegt. Das Stedelijk Museum in Amsterdam beleuchtet den Einfluss der 1931 aufgelösten Gruppe auf zeitgenössische Künstler. Die Städte Utrecht und Amersfoort erinnern mit Ausstellungen und Architektur-Rundgängen an zwei ihrer berühmtesten Söhne, Gerrit Rietveld und Piet Mondrian. Das Gemeentemuseum in Den Haag wird seine gesamte Mondrian-Sammlung, die mit 300 Exponaten als die größte der Welt gilt, ausstellen, und die Entstehungsgeschichte von De Stijl aufdröseln, an deren Anfang die Freundschaft zwischen Mondrian und Bart van der Leck stand.