Avantgarde-Routine

Thomas Raab. Parodos.
92 Seiten. 11 Euro


Ein Essay wie eine Leuchtrakete – erhellt kurz die Umgebung, verglüht schnell und hinterlässt alles in noch schwärzerem Schwarz. Thomas Raabs Bändchen wirft Fragen auf, die er nie und nimmer beantworten kann auf diesen wenigen Seiten. Er handelt ab, unter welchen sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen die Avantgardebewegungen entstanden waren und wie sie sich auflösten in zahlreiche Subkulturen und der heutigen Vorstellung vomKünstler als freien Unternehmer.
Der Ansatz allerdings überzeugt: Avantgarden sind Begleiterscheinungen des wachsenden Zinsund Wettbewerbsdrucks. Der neue gesellschaftliche Reichtum und demografische Umwälzungen treffen im 19. Jahrhundert auf Ideen, die noch mitgeschleift werden aus vorindustrieller Zeit: Erlösungsvorstellungen aufseiten der Avantgarden und Autoritätstreue beim empörten Publikum. Ernüchternd und schön spleenig, wenn Raab akkurat auflistet, wie viele Geschwister künstlerische „Genies“ hatten, welcher Konkurrenz sie also in der Familie ausgesetzt waren und welches Erbe sie erwarten konnten.