Künstlerische Omnipräsenz

Die Barbara-Kruger-Formel

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Barbara Kruger ist eine wichtige Künstlerin, die sich eine unverwechselbare Bildsprache geschaffen hat. Nur ist die 77-Jährige heute in ihrer Manier gefangen und zu schematischer Wiederholung verdammt. Denn die Museen lieben die Marke Kruger

Wenn eine Künstlerin während ihrer Kariere von Modelabels und K-Pop-Bands "zitiert" wird, ist das einerseits ein Zeichen dafür, dass in der Kulturindustrie viel Geld mit Ideen verdient wird, die nicht unbedingt die eigenen sind. Andererseits zeigt es auch, dass jemand eine Handschrift entwickelt hat, die wiedererkennbar und auf popkulturelle Art verführerisch ist.

Beides trifft auf die US-Künstlerin Barbara Kruger zu, die seit den frühen 70er-Jahren mit Collagen und Text-Installationen arbeitet und damit zu einer der prägenden Figuren der internationalen Kunstwelt wurde. Das Modelabel Supreme schaute sich von ihr die schnörkellose weiße Schrift auf rotem Grund ab, mit der sie ihre politischen Slogans wie "I shop therefore I am" oder "Your Body Is A Battleground" in den öffentlichen Raum knallte. 2019 tanzte die koreanische Girlgroup Mamamoo vor einer Kulisse aus Buchstaben und Schwarz-Weiß-Fotos. Das Set sah verdächtig nach einem raumgreifenden Kruger-Werk aus, das sich gern über Fußboden, Wände und Decken erstreckt.

Die heute 77-Jährige hat sich als Vertreterin der sogenannten Pictures Generation schon früh der Bilderflut in unserem medialen Alltag angenommen und die Versprechungen der Werbung auf ihr subversives Potenzial überprüft. Sie war immer gleichzeitig Pop und Politik, eine Kritikerin der konsumierbaren Bilder, die selbst ebensolche geschaffen hat. Damit gehört Barbara Kruger ohne Zweifel zu den wichtigsten Konzept-Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Doch zuweilen drängt sich der Eindruck auf, dass die Omnipräsenz ihrer Arbeiten in Museen, Großausstellungen und auf dem Kunstmarkt dazu geführt hat, dass ihre einprägsame Ästhetik immer plakativer wurde und inzwischen selbst etwas Formelhaftes hat. 

Allgegenwart in Venedig, Berlin, Los Angeles

Gerade kann man die Kruger'sche Allgegenwart besonders gut beobachten. In der Hauptausstellung "The Milk of Dreams" auf der Venedig-Biennale bespielt die Künstlerin mit einer ihrer Textinstallationen einen prominenten Raum im Arsenale und wird so von Kuratorin Cecilia Alemani als prominente Vertreterin einer weiblichen Avantgarde geadelt. Gleichzeitig hat Kruger die berühmte Glashalle der Neuen Nationalgalerie in Berlin okkupiert und den kühlen Steinboden von Mies van der Rohe mit einer schwarz-weiß-roten Vinyl-Installation bezogen. Das Werk "Bitte Lachen / Please Cry" enthält unter anderem Zitate von James Baldwin und George Orwell, aber auch Emojis und Auszüge aus Chat-Protokollen. Und auch im LACMA in Los Angeles findet gerade eine große Kruger-Retrospektive statt, in der mehrere ihrer betretbaren Installationen zusammen gezeigt werden. 

Ähnlich wie Yayoi Kusamas "Infinity Rooms" sind Krugers Texträume inzwischen fotogene Publikumsmagneten, mit denen sich viele Museen schmücken, darunter in den vergangenen Jahren das Hirshhorn Museum in Washington, das Art Institute in Chicago, das Stedelijk Museum in Amsterdam und das Museum Ludwig in Köln. Krugers Elemente sind praktischerweise an jede Architektur anpassbar und die Zitat-Collagen aus Politik, Theorie, Witzen und Werbung sind durch ihre Offenheit immer als aktuell lesbar. 

Inhalte reisen durch die Zeit und verändern sich dabei, und es ist ein Privileg und eine Qualität von Kunst, dass sie sich nicht festlegen muss. Manche Werke Krugers kommen ganz automatisch wieder ins Bewusstsein - zum Beispiel ihre Plakate mit der Aufschrift "Your Body Is A Battleground", die gerade durch das drohende Abtreibungsverbot in den USA neue Brisanz erlangen.

Bis zum letzten Tropfen Gegenwartsbezug

Strapaziert man eine Form jedoch zu sehr, besteht die Gefahr der Materialerschöpfung und der Beliebigkeit - auch, weil die unersättliche Kunstwelt immer mehr von dem will, was bereits erfolgreich ist. So ist in der Berliner Installation beispielsweise ein Orwell-Zitat aus "1984" zu finden, das Kruger schon mehrmals benutzt hat: "Wenn Sie sich ein Bild von der Zukunft machen wollen, dann stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf einem menschlichen Gesicht herumtrampelt, für immer". In diesen Tagen wird es einhellig auf den Krieg in der Ukraine bezogen, 2017 dachte man an Trump, und in der Corona-Pandemie wurde Orwell schließlich bis zum letzten Tropfen Gegenwartsbezug ausgepresst. Das Zitat in einer Kunstinstallation zu benutzen, kann den Worten keine neue Ebene hinzufügen. 

Inzwischen ist unser Medienkonsum durch Social Media stärker als je zuvor durch die Gleichzeitigkeit der Botschaften geprägt, von einem unausweichlichen Nebeneinander von Trivialem und Gewichtigen - und manchmal lassen sich die beiden Kategorien gar nicht unbedingt auseinander halten. Kruger spielt seit Jahrzehnten mit diesem Phänomen, mitunter wirkt es aber, als habe die Realität ihre Formensprache überholt und harmloser erscheinen lassen. Gegen einen sich ununterbrochenen selbst aktualisierenden Twitter-Feed wirkt das physische Text-Labyrinth in der Neuen Nationalgalerie geradezu entspannend und trotz der integrierten Bildschirme bereits historisch. 

Der kühlen Fetisch-Architektur von Mies van der Rohe, die die Kunst am liebsten im modernen Tempel einhegen will, sollte man unbedingt ein wenig formalen und politischen Kampfgeist entgegen setzen. Doch es wäre schön, dort etwas zu sehen, das nicht ganz so erwartbar und im Kunstbetrieb so eingeübt ist. Und das nicht an jedem anderen Ort genauso funktionieren würde.