Baselitz tritt aus Bayerischer Akademie aus

Der Protest gegen den Protest gegen die Corona-Politik

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Der deutsche Künstler Georg Baselitz

In der Bayerischen Akademie der Schönen Künste ist ein Streit um die Corona-Maßnahmen eskaliert. Nun ist Maler Georg Baselitz ausgetreten, um gegen den Protest anderer Aussteiger zu protestieren. Es ist kompliziert

Die Bayerische Akademie der Schönen Künste in München hat 300 Mitglieder, die sich um Kunst, Literatur, Musik, Theater oder Film verdient machen. Von jedem einzelnen Mitglied wünschte sich Akademie-Präsident Winfried Nerdinger ein Statement zur Corona-Politik (die er selbst kritisch sieht), um dann alle Texte in Buchform herauszugeben. So hatte Nerdinger sich das vorgestellt, doch es kam ganz anders. Stattdessen erfährt man die Corona-Positionen verschiedener Künstler jetzt in Form von wütenden Austrittsbriefen. Der neueste dieser Briefe stammt vom Maler Georg Baselitz, der sich mit 83 Jahren ebenfalls schimpfend aus dem Klub der 300 verabschiedet hat.

Baselitz gehörte zum Lager der Pandemie-Skeptiker innerhalb der Akademie – genauso wie Präsident Nerdinger, der den Streit überhaupt erst ausgelöst hat: In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" verteidigte Nerdinger die Schauspielerinnen und Schauspieler der Aktion #Allesdichtmachen, die für ihre satirische Kritik an den Corona-Maßnahmen selbst viel und scharf formulierte Kritik einstecken mussten. Bei solchen "Shitstorms" werde "das Wesen der Kunst" entweder nicht verstanden oder "ganz bewusst außer Kraft gesetzt", beklagte Nerdinger. Man habe den Kulturbetrieb mindestens leichtfertig, wenn nicht gar gezielt der Pandemiepolitik geopfert, deutete er an. Deshalb fehle es in der Öffentlichkeit jetzt an Stimmen von Regierungsgegnern.

Das wollten 20 Akademie-Mitglieder nicht so stehenlassen. Sie distanzierten sich in der "FAZ" mit einem Protestbrief. Winfried Nerdinger trete zwar in seiner Rolle als Präsident auf, aber spreche deshalb noch lange nicht für sie alle. Satz für Satz zitierten sie das "SZ"-Interview und hielten jedem Punkt daraus etwas entgegen. Zum Beispiel sehen sie in Deutschland die Meinungsfreiheit weiterhin als gegeben und halten die Kunst nicht per se für moralisch überlegen oder wichtiger als andere Tätigkeiten. In Zukunft, so ihre Forderung, müsse solch ein Interview mit den Mitgliedern abgestimmt werden. Das lehnt Nerdinger jedoch ab, er habe nur seine private Meinung geäußert.

Austritt als leicht absurde Fußnote

Nach den beiden aufsehenerregenden Artikeln wechselte man auf eine weniger öffentliche Plattform. Es gingen interne Rundbriefe mit Anfeindungen hin und her, eine Versöhnung wurde immer unwahrscheinlicher. Zuerst kündigten sechs von Nerdingers Kritikern (fünf Autoren und eine Autorin) ihre Mitgliedschaft, um nicht länger mit fremden Ansichten in Verbindung gebracht zu werden. Dann trat, als leicht absurde Fußnote zu dem ganzen Skandal, auch noch Georg Baselitz aus der Akademie aus, um seinen Protest gegen die Aussteiger kundzutun. "Widerlich" finde er, wie die 20 "Höflinge" den Präsidenten mit ihrem Protestbrief denunziert hätten.

Vermutlich ging es Baselitz nicht ausschließlich um die Form der Diskussionsbeiträge. Er machte schon davor kein Geheimnis aus seiner Meinung zu Corona, die extremer ist als die Meinung von Winfried Nerdinger und mit der er in der Akademie wohl wenige Freunde fände. Im Interview mit der "Welt am Sonntag" bezeichnete Baselitz die 20-Uhr-Nachrichten und ihre "Horrorgeschichten über neue Mutanten" als "Schwachsinn", den er sich nicht mehr ansehen könne. Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung stellte er in eine Reihe mit dem Nationalsozialismus, den Notstandsgesetzen und der DDR. Vor allem mit letzterer hat er Erfahrung.

Der "Muff uralter Patriarchen" in der Akademie

Die Abneigung gegen und Angst vor Regierungen gehören bei Baselitz zum Markenkern. Eine Porträt-Serie von 1969 – die ersten Motive, die er auf den Kopf drehte – hat er extra aus dem Albertinum in Dresden abziehen lassen und kürzlich an das Metropolitan Museum in New York verschenkt, damit die Bilder nicht nach seinem Tod in die Hände des verhassten deutschen Staates fallen könnten.

So betrachtet ist sein Austritt nur folgerichtig. Auch die Bayerische Akademie der Schönen Künste ist eine staatliche Einrichtung, eine altmodische noch dazu. Laut den Aussteigern herrsche in ihr der "Muff uralter Patriarchen" und ein gewaltiger Bedarf für Reformen. Während die einen Mitglieder vor dem Infektionsschutzgesetz erschaudern, gruseln sich die anderen eher vor der Akademie selbst und vor ihren steifen Hierarchien. Diese Hierarchien allerdings stehen nach dem Streit nun zum ersten Mal zur Debatte.