Dessau, Berlin, Weimar

Bauen für das Bauhaus

Wir bringen die drei Architekten der Museumsbauten an den Standorten Dessau, Berlin und Weimar an einen Tisch

Im Park von Dessau-Roßlau ist eine rund 7500 Quadratmeter große Baustelle abgezäunt. Hier entsteht ein Gebäude für die umfangreiche Sammlung des Bauhauses Dessau. Es wird kein neues Bauhaus-Museum, sondern das erste überhaupt. Die Baustelle liegt zehn Minuten entfernt von jenem 1962 von Walter Gropius errichteten Schulgebäude, das als Bauhaus Dessau bekannt ist. Dort konnten die rund 44.000 Objekte der großen Bauhaus-Sammlung aber bislang nur in Bruchteilen gezeigt werden – Denkmalschutz und Platzmangel machten die fachgerechte Präsentation der äußerst empfindlcihen Exponate in Dessau oft unmöglich.

Das neue Bauhaus-Museum Dessau wird schlicht und spektakulär zugleich: Eine Vorhangfassade aus Glas umhüllt einen 100 Meter langen, schwebenden schwarzen Riegel im Inneren. Die "Black Box" dient als Raum für die Sammlung, der offene Bereich im Erdgeschoss ist als Ort der Begegnung, der Workshops und Events geplant. Der Entwurf stammt vom Architekturbüro Addenda Architects González Hinz Zabala aus Barcelona. Auch an den beiden anderen Standorten, in Berlin und Weimar, werden die bestehenden Bauhaus-Institutionen um neue Ausstellungsräume ergänzt.

Sie alle bauen für die drei Bauhaus-Standorte Berlin, Dessau und Weimar. Wie erinnern Sie die frühe Phase des jeweiligen Architekturwettbewerbs? Was waren Ihre ersten Assoziationen und atmosphärischen Gedanken zum Thema?
José Zabala: Für uns war klar, dass es etwas sehr Direktes werden musste, das zum Thema Bauhaus und seiner Designtradition passt. Das heißt, dass wir mit modernen Mitteln und Werkzeugen arbeiten und uns in der Wahl des Materials begrenzen, das industriell ist und in einer sehr unmittelbaren, effizienten Art umgesetzt wird.

Welche Auswirkungen hatte das Prinzip in der Praxis?
Zabala: Dass wir unvoreingenommen sind. Zuerst wollten wir die Struktur aus Stahl errichten, das mussten wir aber ändern. Jetzt ist sie aus Beton und es funktioniert genauso gut. Auch der schwarze Riegel im Inneren war zunächst als eine leichte Struktur geplant, jetzt wird er ebenfalls aus Beton gefertigt. Wir mussten also ziemlich umschwenken, aber der Entwurf verkraftet das. Zu unserer Idee gehört, in Dessau damit zu arbeiten, was da ist. Industriell, ökonomisch und in Bezug auf den Kontext.

Heike Hanada: Unser Bauplatz in Weimar ist städtebaulich und historisch schwierig. Er befindet sich nicht an der von Henry van de Velde erbauten jetzigen Bauhaus-Universität Weimar, sondern am anderen Ende der Stadt in der Nähe des monströsen Gauforums aus der Nazizeit. So ging es erst mal um den Kontext. Parallel überlegt man sich: Was bedeutet es für mich als Architektin, ein Museum zu bauen für das Bauhaus? Ich habe da eine sehr zurückhaltende Haltung und finde, dass wir nicht in eine offensichtliche ästhetische Konkurrenz treten sollten. Es geht mehr um eine abstrakte Idee, eine die materielle Präsenz überschreitende Erhabenheit, die uneindeutig im Maßstab bleibt und mit der Auflösung der gebauten Masse spielt.

Volker Staab: Der neue Erweiterungsbau für die Sammlung Bauhaus in Berlin steht natürlich im Verhältnis zu dem von Walter Gropius entworfenen Bestand, der räumliche Defizite hat, aber auch eine ikonografische Kraft. Die größte Herausforderung für uns war es, einen Organismus zu entwickeln, der die beiden Häuser in selbstverständlicher Art zusammenbindet. Wir werden manchmal gefragt, worin unsere Auseinandersetzung mit dem Thema Bauhaus bestand und wieso unser Entwurf nicht nach Bauhaus aussieht. Da stellt sich natürlich die Frage, was Bauhaus denn eigentlich ist.

Welche Antwort haben Sie?
Staab: Viele denken an kubisch weiße Häuser, aber die Geschichte des Bauhauses ist sehr heterogen. Für uns macht das Bauhaus die Kommunikation aus, das Diskursive, Pädagogische, das Lernen und Lehren und das Experiment. In unserem Entwurf bilden deshalb die Räume der Pädagogik und des Diskurses den städtebaulichen Auftakt. Die Ausstellung befindet sich darunter und verbindet die beiden Häuser.

Welchen Blick auf das Bauhaus haben Sie, Herr Zabala, aus internationaler Perspektive?
Zabala: Über den Bauhaus-Gedanken haben wir viel gelernt, am meisten während der Arbeit an diesem Projekt. Welche Auffassung sollten wir dazu entwickeln, vor allem als Büro aus dem Ausland? Mit dem Bauhaus verbindet man Transparenz, Einfachheit, Reduktion, elegante Formen. Aber für uns war die Tatsache das Wichtigste, dass das Bauhaus eine Schule war. Wir selbst haben uns für den Wettbewerb zusammengetan, wir arbeiten zu fünft in einem kleinen, nur zwölf Quadratmeter großen Raum. Wir sind also selbst eine Gruppe.

Auch Sie arbeiten, wenn auch indirekt, mit einem ikonischen Bauhaus-Gebäude. Das Bauhaus Dessau von Walter Gropius ist zu Fuß zehn Minuten entfernt, was bedeutet das für Sie und Ihren Entwurf?
Zabala: Es gibt zwischen den beiden Gebäuden keine direkte Sichtverbindung, aber es gibt in unserem Entwurf formale Bezüge. Den schwebenden schwarzen Riegel kann man auch als Anspielung auf die Brücke sehen, die im Bauhaus Dessau von Walter Gropius ein signifikantes Element ist. Aber wie schon gesagt, das Herz des Bauhauses ist die Aktivität. Das wollen wir weiterführen in dem neuen Museum, mit einem großen offenen Raum, der produktiv und dynamisch in die Stadt hineinwirkt.

Die Anforderungen, Aufgaben und Fertigstellungstermine sind bei Ihnen drei sehr verschieden – sehen Sie auch Gemeinsamkeiten?
Hanada: Alle drei Bauherren haben einen relativ schlichten Baukörper nominiert, eine Architektur, die sehr zurückhaltend ist und trotzdem das Spezielle sucht. Ich finde, am stärksten bei dem Thema Licht. Das ist eine interessante Überschneidung.

Staab: Mit sensiblen Sammlungsobjekten steht man immer im Widerspruch zum Tageslicht. Im alten Bauhaus-Archiv-Gebäude hatte man deshalb die Tageslichtöffnungen zugeklebt, wodurch ein Teil der räumlichen Identität des Hauses verloren ging. Diese extreme Anforderung muss in allen Museumsentwürfen mit dem Wunsch, einen lebendigen, öffentlichen Ort zu schaffen, in Einklang gebracht werden. Bei uns hat das zu dem Konzept geführt, die Sammlung im Untergeschoss zu zeigen.

Zabala: Die Sammlung in Dessau unterscheidet sich deutlich von der in Berlin, aber auch sie ist sehr empfindlich, es sind viele Arbeiten auf Papier darunter. Darum gibt es die "Black Box" in unserem Entwurf. Die Sammlung wird im oberen Geschoss in einem vollkommen verschlossenen Baukörper präsentiert, während die Wechselausstellungen und andere Aktivitäten im Erdgeschoss stattfinden, in diesem sehr offenen Gebäudeteil, der den Park mit der Stadt verbindet.

Entwurf von Staab Architekten, Erweiterungsbau Bauhaus-Archiv, Berlin

Was bedeutet der jeweilige Standort für Ihre Entwürfe?
Zabala: Die Nord-Süd-Achse ist immer eine wichtige repräsentative Achse in Dessau gewesen, das Theater und die historischen Gebäude befinden sich in dieser Flucht. Auf deren monumentale Fassaden haben wir mit einer Vorhangfront aus Glas reagiert, die diese Proportionen aufnimmt. Sie reflektiert tagsüber die Natur, nachts dagegen ist sie erleuchtet, der schwarze Riegel im Inneren wird stärker sichtbar. Das Museum soll auch abends wie ein einladender Ort aussehen.

Hanada: Die Stadt Weimar hat den mutigen Entschluss gefasst, das Bauhaus-Museum in Weimar in die unmittelbare Nähe des Gauforums zu setzen. Die politische Entwicklung in Thüringen hin zum Rechtsradikalismus, die dort schon früh begann, hat ja dazu geführt, dass das Bauhaus in Weimar geschlossen wurde. Auf diese physisch erlebbare Machtdemonstration des Gauforums mussten wir baulich reagieren, mit einem bewusst monumentalen Gebäude. Die Sichtachsen, die sich aus dem Parcours im Inneren nach außen ergeben, beziehen die Stadt mit dem Gauforum mit ein, und von oben wandert der Blick über die Landschaft bis hin zum Buchenwaldturm. Weimar ist nicht nur die Stadt der Klassiker, die Geschichte hat viele Ebenen. Die erste Weimarer Nationalversammlung fand 1919 hier im Deutschen Nationaltheater statt. Dies alles gehört zum Entstehen des Bauhauses, der Moderne in Weimar, ebenso wie das Scheitern und das Überleben als HAB (Hochschule für Architektur und Bauwesen) in der Nachkriegsmoderne der DDR.

Staab: Wenn man an ein Gebäude von Walter Gropius anbauen soll, stellt sich eine gewisse Ehrfurcht ein. Das bestehende Haus war ursprünglich für Darmstadt entworfen worden, die Transformation nach Berlin ist nicht richtig gelungen. Die Erschließung mit der "promenade architecturale" sorgt dafür, dass das Haus keine richtige Adresse im Stadtraum hat. Am Startpunkt der Rampe ist weder Platz noch Park noch öffentlicher Raum. Wir haben uns gefragt, wie man das Merkmal der "promenade" erhalten kann und gleichzeitig einen neuen Eingangsraum mit einer Adresse als öffentlichen Ort schafft. Je länger wir daran arbeiteten, desto mehr stellte sich das Gefühl ein, dass man dem bestehenden Haus etwas Gutes tut.

Alle Ihre Entwürfe müssen Ausstellungen auf dem Stand des 21. Jahrhunderts bieten – ist der White Cube immer noch das Nonplusultra?
Hanada: Der White Cube war für Museen nie das Nonplusultra, nur für Galerien der Gegenwartskunst. Aber die weiße Wand wird immer noch favorisiert. Als Architektin denke ich, man sollte radikaler werden, letztlich hängt es vom Gesamtkonzept ab.

Staab: Die Idee des White Cube kommt ja aus dem Irrglauben, man könnte einen Raum nicht existent werden lassen. Das ist meiner Meinung nach ein Irrtum. Wichtig ist, wie stark die Eigenschaft eines Raums in Bezug auf seine Exponate ist.

Zabala: Mit dem Ausstellungsdesign haben wir nicht viel zu tun, dafür gibt es eigene Mitarbeiter, aber wir sprechen über Materialität und versuchen, im Inneren Betonwände zu erhalten.

Welche Bauhaus-Ideen oder Konzepte haben Sie für sich wiederentdeckt oder vielleicht auch aufgegriffen?
Hanada: Bauhaus ist eine Infragestellung von vielen Dingen, bis heute. Der Beginn ist für mich als Architektin dabei gar nicht das Bauhaus als Institution, sondern das Konzept des fließenden Raums. Die transformierte Idee des fließenden Raums und des Raumplans bestimmen das innere Gefüge des Museums.

Staab: Das Bauhaus ist mehr als die Klischees, die man schnell im Kopf hat. Aber man muss schon sehen, dass es in einer anderen Zeit entstand. Heute gibt es nicht mehr diese eine visionäre Idee, diesen gesellschaftlichen Aufbruch, der alles zusammenhält. Jedoch bedeutete die Industrialisierung im 20. Jahrhundert einen ähnlichen Umbruch wie heute die Digitalisierung. Wir haben deshalb einen Turm entworfen, der nur digital möglich ist. Das Tragwerk kann man nicht mehr analog berechnen. Als Zeichen fanden wir das interessant.

Zabala: Für mich geht es im Bauhaus nicht in erster Linie darum, Dinge zu produzieren, sondern um das Zusammenarbeiten. Als eine handwerklich orientierte Schule die Ideen verschiedener Disziplinen zusammenzulegen, das ist auch heute pädagogisch gesehen noch sehr interessant. Die Aktivitäten als Gemeinschaft. Demzufolge ist mir die Art und Weise, wie dieses Gebäude genutzt werden wird, wichtiger als das Gebäude selbst.

Foyer des Bauhaus-Museums Weimar von Heike Hanada