Politisches Schaufenster

Nil Yalter zeigt Exil-Arbeit auf der Berlin Biennale

Auf der 12. Berlin Biennale geht es politisch zu. Ein zentrales Werk ist Nil Yalters Schaufensterarbeit "Exile Is A Hard Job" in einem Projektraum in der Wilhelmstraße

In der Wilhelmstraße in Berlin-Mitte treffen viele historische Schichten aufeinander. In einem Plattenbau aus DDR-Zeit, nicht weit davon, wo während der Nazizeit die Hitler-Regierung in der von Speer erbauten Reichskanzlei residierte, ist heute das Büro einer neuen Institution untergebracht, die sich mit der "Dekolonialen Erinnerungskultur in der Stadt" beschäftigt. Jetzt sind die Fenster mit Plakaten verklebt, die auf diejenigen verweisen, die bislang von der offiziellen Erinnerungskultur in Deutschland genauso wenig gewürdigt werden wie die Opfer der Kolonisierung.

"Exil ist harte Arbeit" steht in roter Schrift und mehreren Sprachen auf dem Plakaten, die Fotos von Menschen zeigen, die in den 1980er-Jahren aus Portugal und der Türkei nach Westeuropa eingewandert sind. Die 84-jährige türkischstämmige Künstlerin Nil Yalter lebt selbst im Exil, sie verließ 1965 die Türkei. Für ihre Arbeit, die sie zuerst im Jahr 1983 realisierte, interviewte und filmte sie Migrantinnen und Migranten, die ihr erzählten, welche Anpassungsleistung sie erbringen mussten, unter welchen Bedingungen sie ihren Lebensunterhalt verdienten und wie sie ihre Kinder aufzogen in einem Land, das ihnen fremd war.

Yalters Werk "Exile Is A Hard Job" ist nicht nur in der Wilhelmstraße, der kleinsten Location der Ausstellung, ein Aushängeschild der 12. Berlin Biennale. Auch im KW Institute for Contemporary Art, der traditionellen Keimzelle der Berlin Biennale, empfängt es das Publikum gleich im Eingang. Es geht dort genauso politisch weiter. Der französische Fotograf Mathieu Pernot porträtiert in einer einfühlsamen Fotoserie eine Romnja-Familie aus Südfrankreich. Deneth Piumaskhi Veda Arachchige liefert eine tiefe Recherche über die europäische Ethnografie, die ihre Vorfahren in Sri Lanka vermaßen und ihre sterblichen Überreste in europäische Museen verschleppten. Binta Diaw, Italienerin mit senegalesischem Hintergrund, webt aus künstlichem Haar eine raumgreifende Netzinstallation, die an den transatlantischen Sklavenhandel erinnern soll. Und Etinosa Yvonne aus Nigeria porträtiert Frauen, die in ihrer Heimat Opfer von Boko Haram wurden, von Vergewaltigung und Zwangsheirat.

Migration, Kolonialismus, die ökonomische und ökologische Ausbeutung des globalen Südens und die Frage der Restitution sind die Themen des Künstler-Kurators Kader Attia. Weitere Locations seiner 12. Berlin Biennale sind auch die Akademie der Künste am Pariser Platz und am Hanseatenweg, der Hamburger Bahnhof sowie die ehemalige Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg.