In Berlin kuratieren Peter Doig und Hilton Als eine Schau zum Porträt

Aus Angela Mathis’ unbetiteltem Gruppenbild spricht das Wirgefühl: Acht Jungs in Lederhosen mit Tretrollern und ein Mädchen, weniger breitbeinig und doch das Bild beherrschend: Atemwolken quellen aus ihrem Mund und nebeln die ganze 50er-Jahre- Kleinstadtszenerie ein. Mehr als 60 Porträts präsentiert die Gruppenausstellung „Self-Consciousness“. Hilton Als, Schriftsteller aus New York, hat Bildnisse ausgesucht, die das Hauptthema der Schau illustrieren sollen: die Selbstdarstellung zwischen Wahrhaftigkeit und theatralischer Fiktion. Als Kokurator fungiert kein Geringerer als Peter Doig, in dessen Düsseldorfer Malerklasse übrigens Mathis und fünf andere Ausstellungsteilnehmer studiert haben. Als Künstler hält sich der Star weitgehend zurück, abgesehen von zwei kleinformatigen Gemeinschaftsarbeiten mit Chris Ofili im Entree der Galerie. Das Kuratorenpaar ist durch die Karibikregion miteinander verbunden, Hilton Als’ Mutter stammt aus Barbados, Doig lebt in Trinidad – im Haus des 2007 verstorbenen Künstlers Boscoe Holder, dessen eindringliche Porträts androgyner Insulaner als Glanzlicht der Ausstellung punkten. Vor dem soziokulturellen Hintergrund eines Landes, in dem Homosexualität noch heute mit drakonischen Strafen belegt ist, sind der Maler und seine Modelle nur zu bewundern. Auch andere Arbeiten der mit Hans von Marées („Selbstbildnis ohne Hut“) ins 19. Jahrhundert ausgreifenden Zusammenstellung begeistern dank malerischer Qualitäten, etwa Pawel Tschelitschews verschattetmelancholisches Männerporträt von 1929, das stillste Bild der Ausstellung. „La chevelure blonde“ (1915), das lange Haar einer von Félix Vallotton meisterhaft gemalten Hure, wird zum halb offenen Umhang, der verhüllt und zugleich freilegt. Dazwischen hängt allerdings manches, das im Porträtkontext deplatziert wirkt, wie ein zwischen Historienbild und Voodoo-Beschwörung pendelndes Bild des Haitianers und magischen Realisten Hippolyte Hector – und manches Mittelmaß. Als komme es auf schiere Gruppengröße an.