Berlin präsentiert die schillernden Seiten des Buch - künstlers Marcus Behmer

Sein Werk passt perfekt in die neueröffnete Dependance der Kölner Galerie Daniel Buchholz – eine prächtige Altbauwohnung in der Charlottenburger Fasanenstraße. Ganz in der Nähe lebte der Illustrator und Künstler Marcus Behmer Anfang des 20. Jahrhunderts auch, bevor er ins Westend zog. Wer in die Galerie kommt, betritt eine Welt, in der Dekadenz und Stil keine Pose, sondern Geisteshaltung waren.
Daniel Buchholz hat eine geradezu museale Kabinettausstellung zusammen- getragen: unverkäufliche Arbeiten aus der eigenen Sammlung und Leihgaben, unter anderem aus dem Städelschen Kunstinstitut, darunter Bücher, Briefe, Fotos und Zeichnungen.

 

Behmers Handschrift, mit der er Stücke wie Oscar Wildes „Salome“ oder Philipp Otto Runges Märchen „Von dem Fischer un syner Fru“ im Insel Verlag und bei Har ry Graf Kesslers Cranach-Presse illustrierte, lehnte sich zeitweise an die Jugendstil-Zeichnungen des Engländers Aubrey Beardsley an. Doch durch Marcus Behmers Leidenschaft für die Geschichten und seinen ironischen Humor voller homoerotischer Anspielungen, der ihm im Nationalsozialismus zwei Jahre Haft einbrachte, gelangen ihm ganz eigene Interpretationen der Texte.

 

Behmers Ornamente und Fabelwesen zeigen sich in Illustrationen, Holz- schnitten und Radierungen. Sie bewegen sich zwischen altmeisterlich und comicartig, man denkt an Hieronymus Bosch, an Walt Disney, an die Fantasiegestalten Kai Althoffs. Die Motive vermitteln eine sehnsüchtige, stilistische Sensibilität im Geiste Oscar Wildes oder Stefan Georges – eine lebenshungrige, bärbeißige Haltung, die sich auch in den Briefen aus dem Gefängnis ausdrückt. Anders als Wilde ging Behmer an der Haft nicht zugrunde. 1951 stellte er bei dem berühmten Berliner Galeristen Rudolf Springer aus, 1956 zeigte ihn das Frankfurter Städel, 1958 präsentierten die Staatlichen Museen Berlin seine Arbeiten. In diesem Jahr starb Behmer verarmt, aber gefeiert als „Erneuerer der Buchkunst“.

Heute zeigt sich: Er war ihr letzter großer Verfechter.
 

Galerie Buchholz, Berlin, bis 2. September