Postkoloniale Initiative

Berlin will Kolonialvergangenheit aufarbeiten

Spur der Kolonialvergangenheit: Bismarck Street in Windhuk, Namibia
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Spur der Kolonialvergangenheit: Bismarck Street in Windhuk, Namibia

Für einige Jahrzehnte zählte das Deutsche Reich zu den größten Kolonialherrschern der Welt. Spuren von Ausbeutung, Unterdrückung bis hin zum Völkermord sind noch immer präsent. Eine Initiative will Orte sammeln und ihre Geschichten aufarbeiten

Mit einem Kulturprojekt zu seiner kolonialen Vergangenheit will sich Berlin seiner Rolle als Hauptstadt eines ehemaligen Kolonialstaates stellen. Während der auf fünf Jahre angelegten Initiative sollen zivilgesellschaftliche Initiativen gleichberechtigt neben dem Stadtmuseum und anderen Akteuren Ausstellungen und Veranstaltungen entwickeln, wie Kultursenator Klaus Lederer (Linke) am Freitag in Berlin ankündigte. Begleitet wird das Projekt von einem wissenschaftlichen Beirat.

"Berlin war die Hauptstadt eines Kolonialreiches", sagte Lederer während der Präsentation der Initiative. "Wenn sich eine der größten Kulturstiftung Europas, eines der größten europäischen Stadtmuseen, drei wirkmächtige zivilgesellschaftliche Initiativen und eine Landesregierung zusammenschließen, kann man daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass das für uns ein sehr, sehr zentrales Projekt ist."

Für das in dieser Form bundesweit einmalige Projekt wird die Kulturstiftung des Bundes eine der rund drei Millionen Euro Gesamtkosten übernehmen. Stiftungsdirektorin Hortensia Völckers hofft, dass andere Städte in Deutschland Anknüpfungspunkte des Projektes für ergänzende Initiativen nutzen. "Der Kolonialismus und seine bis heute wirksamen Hinterlassenschaften gehören zu den blinden Flecken der Geschichte."

Kolonialismus bis in die Gegenwart prägend

Aus Sicht von Paul Spies, Vorstand der Stiftung Stadtmuseum, geht die Bedeutung der Initiative weit über Berlin hinaus. So sollen innerhalb des Projektes etwa 1.000 Orte beschrieben werden, an denen sich noch heute die Folgen des Kolonialismus festmachen lassen. Etwa ein Drittel davon sollen Berlin betreffen, der deutlich überwiegende Teil Stätten in ganz Deutschland bis hin zu ehemaligen Kolonialstaaten.

Für die am Projekt beteiligte Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, sagte deren Sprecher Tahir Della, die Folgen des Kolonialismus seien kein randständiges Thema mehr. "Unser Programm wird modellhaft deutlich machen, das Kolonialismus und Rassismus - aber auch der Widerstand dagegen - die Stadtgesellschaften hier und in den ehemaligen Kolonien bis in die Gegenwart prägen."

Das Deutsche Reich war für einige Jahrzehnte einer der wichtigsten Kolonialstaaten. Mit dem Versailler Vertrag von 1919 endete diese Form von Ausbeutung und Unterdrückung. Zu deutschen Kolonien zählten unter anderem Togo, Kamerun und Deutsch-Ostafrika mit den heutigen Ländern Tansania, Burundi und Ruanda sowie einige kleinere Kolonien in Asien. In der Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutige Namibia, schlugen Soldaten des Kaiserreichs einen Widerstand der Herero und Nama von 1904 bis 1905 brutal nieder, Zehntausende wurden getötet. Historiker sehen darin den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.