Nach Besetzung der Kunsthochschule Braunschweig

"Jetzt beginnt die Arbeit"

Foto: Malte Taffner
Foto: Malte Taffner
Gruppenfoto der Studierenden, die die Braunschweiger Kunshochschule besetzt hatten.

Nach vierwöchiger Besetzung der Braunschweiger Kunsthochschule ist der Studierenden-Protest jetzt beendet. Monopol sprach mit einem der Besetzer über das Ende des Protests und fragte: Wie geht es weiter?

Nach vier Wochen einigten sich die Studierenden und Vanessa Ohlraun, die Präsidentin der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, auf einen Kompromiss. Die Besetzung eines Ateliergebäudes wurde damit beendet. Bereits im Vorfeld hatte die Präsidentin einen bestehenden Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs zurückgenommen und "damit ein wichtiges Zeichen gegenüber den Studierenden gesetzt", wie eine gemeinsame Presseerklärung der Präsidentin, der Protest-Gruppe, des Studierenden-Parlaments und des AStA formuliert. Bereits im Sommer waren die Probleme beim öffentlichen Rundgang thematisiert worden, zum Semesterstart folgte dann die Besetzung. Malte-Levin Behrens, Kunststudent, Mitglied des Asta, des Studierendenparlaments, des Senats sowie der Fachkommission Freie Kunst, zum Ende der Besetzung und zur Frage: Wie weiter?

Die Hauptforderung der Besetzer lautete 24/7. Dahinter steht der Wunsch, dass die stark eingeschränkten Öffnungszeiten der Ateliers – zuletzt von 7 bis 21 Uhr – wieder verändert werden. Wie genau sieht die Zwischenlösung, die nun das Ende der Besetzung zur Folge hatte, aus?
Behrens: Die Zwischenlösung bedeutet, dass alle Studierenden, bis auf wenige Ausnahmen, bis 24 Uhr arbeiten können, sowohl am Wochenende als auch unter der Woche. Am Wochenende ab 10 Uhr, unter der Woche ab 7 Uhr. Dies wird solange gültig sein, bis wir eine endgültige Lösung haben. Das wird wohl in den nächsten drei bis sechs Monaten über die Bühne gehen. Das hängt noch an verschiedenen Akteuren der Hochschule. Die hat auf jeden Fall verstanden, dass es ein wichtiges Thema ist und da wir alle da jetzt schnell eine Lösung finden müssen. Wir haben auch den Security-Dienst noch mal angesprochen: Uns ist es ganz wichtig, dass das Personal respektvoll und freundlich ist und sich eher als Dienstleister versteht und wir als Studierende das wiederum auch akzeptieren. Und falls es Probleme gibt, ist der AStA künftig die Schlichtungsstelle, an die sich sowohl Studierende als auch das Personal wenden können. 

Auf wessen Initiative hin kam es jetzt am vergangenen Freitag zum Treffen zwischen den Besetzern und der Präsidentin Frau Ohlraun?
Da hatten beide Seiten ein Interesse dran. Wir haben hin- und hergeschrieben und beiden Seiten war klar, es muss jetzt mal weitergehen. 

Die Besetzung hat nun insgesamt vier Wochen gedauert. In der ersten Woche war die Präsidentin krank, sicher ein Grund dafür, dass es da nicht wirklich voranging. Warum war diese Einigung nach ihrer Rückkehr nicht früher möglich?
Das kann ich nur bedingt beantworten. Ich kann mir vorstellen, dass sie zurückkam und erst einmal von verschiedenen Interessengruppen belagert wurde. Ich glaube, es war gut, dass wir unseren Standpunkt so konsequent vertreten haben, und uns nicht haben erpressen lassen, auch nicht durch den Strafantrag. Wir sind vehement geblieben, aber dennoch kompromissbereit. Wir haben immer wieder den Kontakt gesucht und dadurch gezeigt, dass wir ein ernst zu nehmender Partner sind. Ich vermute, dass wir ihr dadurch gezeigt haben, dass man mit uns gut arbeiten kann. Und auch muss.

Das beantwortet schon die Frage, was rückblickend aus Sicht der Besetzer gut gelaufen ist. An welcher Stelle hätten sie anders agieren können? Was nehmen Sie aus diesen vier Wochen mit?
Es gab ganz am Anfang einmal die Situation, da waren wir alle etwas paranoid und angespannt. Wir sind gerade dabei, diesen ganzen Prozess zu reflektieren, auch um nach möglichem Fehlverhalten zu fragen und danach, wie man Sachen besser organisieren hätte können. Das ist uns wichtig, wir werden da in den kommenden Wochen noch viel drüber sprechen, auch über den internen Umgang. Das ist im Prozess manchmal etwas kurz gekommen. In der Außendarstellung habe ich das Gefühl, haben wir so alles richtig gemacht. 

Die härteste Reaktion von Seiten der Hochschulleitung war ein Strafantrag wegen Hausfriedensbruch, der sehr schnell gestellt wurde. Wann ist dieser zurückgezogen wurden?
Das genau Datum kenne ich nicht, aber es war auf jeden Fall vor dem Gespräch am Freitag. Das war ein Grund, warum wir so positiv in das Gespräch reingegangen sind, weil wir gesagt haben: Ok, die Präsidentin ist einen Schritt auf uns zugegangen und das erkennen wir an und jetzt müssen wir uns auch von der besten Seite zeigen.

Bei unserem letzten Interview am 19. Oktober 2017 war die Polizei noch präsent, mit einem Streifenwagen vor der Tür. Wie lange war die Polizeipräsenz spürbar?
Ich kann gar nicht mehr sagen, ob es vier oder sieben Tage waren, aber es war gefühlt sehr wenig.

Wie ist die Besetzung ganz praktisch verlaufen? Gab es einen Einsatzplan, wer wann vor Ort ist? Gab es improvisierte Schlafmöglichkeiten?
Wir hatten einen Raum mit einem Bettenlager und ansonsten gab es jeden Abend ein Orga-Plenum, bei dem wir die wichtigsten Dienste wie Kochen und Türdienst verteilt haben.

Wurde auch gefeiert?
Wir haben keine Partys gefeiert, aber natürlich mal bis 3 Uhr nachts zusammengesessen, ein Bier oder einen Wein getrunken und gequatscht.

In der gemeinsamen Presseerklärung der Protest-Gruppe, des Studierendenparlaments, des AStA und der Präsidentin ist nun die Rede von einem Runden Tisch, der installiert werden soll. Wann wird es dafür den ersten Termin geben?
Es wird eine Vorgruppe geben, die diesen Runden Tisch designt. Das klingt ein bisschen kompliziert, aber es wird Leute geben, die sich überlegen, was wichtig ist und die sich schon in den kommenden zwei Wochen treffen. An einer mittel- oder langfristigen Lösung zur Problematik der Öffnungszeiten arbeitet die Hochschule jetzt eh schon unter Hochdruck. Das heißt, wir werden sehen, ob der Runde Tisch dafür überhaupt noch nötig ist. Wichtig ist er vor allem für uns Studierenden. Wir haben künftig eine Mediation, die Interessen der einzelnen Studiengruppen sind somit paritätisch verteilt, es soll einen Minderheitenschutz geben, sodass alle, selbst wenn zwei Drittel ein Thema nicht für wichtig halten, ihre Bedürfnisse äußern können. 

Es war immer klar, dass es nicht nur um 24/7 geht, sondern auch um eine verbesserte Kommunikation, bessere Studienbedingungen, insbesondere was die Neubesetzung von Stellen angeht. Welches Thema wird als nächstes in Angriff genommen?
Das Thema Stellenbesetzung ist natürlich wahnsinnig spannend. Es geht eben auch um so etwas wie die Frage, ob es künftig mehr Professorinnen gibt. Und auch jüngere Leute in der Lehre. Das wird spannend, inwieweit wir Studierende da künftig bei Stellenausschreibungen und Berufungsverfahren involviert sind. 

24/7 und eine bessere Kommunikation schienen vor vier Wochen noch naive Hoffnungen. Zumindest eine bessere Kommunikation scheint sich jetzt auch dank der Besetzung eingestellt zu haben.
Ja. Naiv kann man jetzt streichen. Wir freuen uns natürlich darüber und gehen diesen Schritt jetzt voller Überzeugung mit. Aber wir werden ihn natürlich auch kritisch begleiten. Unser aller Ziel ist, dass Braunschweig ein attraktiver Studienstandort ist, an dem die Arbeitsbedingungen stimmen.  

Gestern, am Montagabend, wurden die besetzten Räume geräumt. Welches Gefühl dominiert heute? Erschöpfung oder Stolz auf das Erreichte?
Es ist beides. Ein harter Kern von 10, 15 Leuten hat in den letzten Wochen wirklich nichts anderes gemacht, rund um die Uhr. Das ist wie nach einer guten Party. Da muss man erstmal runter kommen. Wir waren gestern noch zusammen in der Kneipe und das war auch gut, das noch gemeinsam gefeiert zu haben. Wir sind stolz und erschöpft und freuen uns, dass wir jetzt kurz durchschnaufen können. Nächsten Montag treffen wir uns wieder, kochen zusammen, resümieren und planen, wie es mit wöchentlichen Treffen weitergeht, um diesen Prozess auch weiter in der Gestaltung voranzutreiben. Der Endpunkt ist nicht erreicht, jetzt fängt die Arbeit an. 

Zwischenzeitlich haben am 1. November rund 250 Studierende, dies entspricht einem Viertel der Studierenden, mit einer Demo ihre Solidarität mit den Besetzern bekundet. Wie groß ist die Gruppe, die jetzt aktiv weiterarbeitet?
Es gibt die Protestgruppe, die mit harten Bandagen gekämpft hat, aber es gibt auch Leute im Studierendenparlament und im AStA, die zum Teil nicht in der Besetzergruppe waren. Wir arbeiten eng zusammen und sprechen uns ab. Um die 30 bis 40 Leute sind derzeit engagiert und machen Hochschulpolitik. Dazu kommen die Leute, die zu Treffen kommen und sich informieren und Fragen stellen und Anmerkungen machen. Ich habe das Gefühl, das politische Potenzial an der Hochschule ist gerade so hoch, wie es sonst an keiner Hochschule ist. Wir haben gezeigt, dass man etwas bewirken kann und ich freue mich über jede Person, die mitmacht.