Bewegung tut gut

 

Endlich ein Rettungsanker, und ein doppelter gleich dazu: Der kalifornische Künstler Mike Bouchet hat sich für das Begleitprogramm der Frieze ein ziemlich symbolträchtiges Projekt überlegt. Nicht nur wirft er der Londoner Herbstmesse mit einer Skulptur einen konkreten Anker aus Edelstahl hin, sondern er hat auch noch einen amerikanischen Motivationssprecher engagiert, der für Stimmung sorgen soll. „Fähigkeiten zur positiven Selbstdarstellung“ werden da zur Sprache kommen oder Themen wie „der Verkauf schwieriger Arbeiten“ und „die Visualisierung positiver Verkaufsziele“.
Nicht dass Galeristen für diese Art von Selbstvertrauen Training bräuchten. Obwohl alle Händler wirtschaftlich ein schwieriges Jahr hatten, Mitarbeiter entließen und manchmal sogar Werke unter ihrem Einkaufspreis verkauften, gab man sich in den vorigen Monaten durchweg zuversichtlich. Was wiederum nicht heißt, dass man nun nicht erwartungsvoll auf den Herbst schaut und hofft, dass die Beschwörungen zur Realität werden und es nun tatsächlich wieder aufwärtsgeht mit dem Kunstmarkt.


Für die Frieze (15.–18. Oktober) allerdings hegen die wenigsten Galeristen solche Erwartungen. Trotz einer Ausstellerliste, auf der fast alle Global Player vertreten sind, und trotz der neu geplanten Sektion „Frame“, die Soloprojekten für die Künstler jüngerer Galerien Raum gibt. Die Stadt ist wirtschaftlich immer noch so stark mitgenommen, dass kaum ein Sammler zu den Galerienschauen kommt. Viele Galeristen nehmen nur teil, weil sie befürchten, sonst bei der nächsten, hoffentlich wieder lohnenden Ausgabe für ihre Abwesenheit mit einem schlechten Standplatz bestraft zu werden.
Das Schwächeln der Frieze bietet eine ideale Angriffsfläche für die anderen großen Herbstmessen, bei denen man die Wirtschaftskrise genutzt hat, um neue Formate zu erstellen.


Die Art Basel/Miami Beach (3.–6. Dezember), die wie die Frieze lange ein Symbol für die Champagnermessen der Boomzeit war und für die viele Galeristen ähnliche Befürchtungen hegen, tritt der Situation entschlossener entgegen. Ein kompletter Relaunch soll gleichzeitig die gewohnte Hinwendung zu etablierten, teuren Positionen weiterführen, junge Galerien verstärkt einbeziehen und einen neuen kuratorischen Schwerpunkt legen. Die Messehallen werden redesignt, die Nachwuchssektion „Positions“, die bisher in Minicontainern am Strand stattfand, wird in den Hallenparcours integriert, und für die Bespielung der Oceanfront arbeitet man mit der namhaften New Yorker Kunstorganisation Creative Time zusammen, die schon durch gelungene Partnerschaften mit dem MoMA und dem High-Line-Park hervorgetreten ist.


Auch das Art Forum in Berlin (24.–27. September), das nach einem Ausrutscher im vergangenen Jahr wieder an seinem traditionellen Septembertermin stattfindet, startet neu durch. Eva-Maria Häusler und Peter Vetsch, die neuen Direktoren, haben lange für die Art Basel gearbeitet und die Berliner Messe unter strenger Führung nach dem Schweizer Erfolgsmuster umgestaltet. Das reicht vom neuen, nüchternen Corporate Design bis hin zur Einführung einer Sektion für Großinstallationen im Sommergarten beim Palais am Funkturm.
Die Neuorientierung hat zudem zur Folge, dass einige große Berliner Galerien wie Neugerriemschneider, Klosterfelde, Carlier/Gebauer, Max Hetzler oder Barbara Weiss, die der Messe gemeinschaftlich ferngeblieben waren, wieder dabei sind. Der Qualitätsschub wird durch Neuzugänge wie Krinzinger aus Wien und Xavier Hufkens aus Brüssel noch verstärkt.


Den vielleicht drastischsten Schritt zur Bewältigung der wirtschaftlichen Turbulenzen hat die Artissima in Turin (6.–8. November) unternommen und neben dem Launch eines neuen Begleitprogramms einfach die Standmieten reduziert. Und die ohnehin schon renommierte Pariser Fiac (22.–25. Oktober) erlaubt dieses Jahr ausgesuchten Galerien wie PaceWildenstein, an exponierter Stelle zwei bis drei museale Werke im mondänen Grand Palais zu zeigen, ohne eine eigene Koje bespielen zu müssen. Auch Off-Messen wie die Cutlog stehen in Paris erstmals auf dem Programm – und eine strategische Zusammenarbeit mit der Kaufhauskette Galeries Lafayette, die einer Auswahl junger Galerien bei den exorbitanten Standmieten unter die Arme greift.


Auf ein Herbstwunder zu warten ist natürlich illusorisch. Auch wenn die Aktienmärkte und Investmentbanken vielerorts wieder zum business as usual übergegangen sind, der Kunstmarkt reagiert auf solche Entwicklungen generell mit einer sechs- bis 18-monatigen Verspätung. Aber anders als die Banken, die, weil sie auf Staatshilfen zurückgreifen konnten, überraschend wenige strukturelle Veränderungen initiieren mussten, sind der Kunstmarkt und seine Messen durch die Krisensituation wirklich in Bewegung geraten – und das sind die guten Nachrichten, die wir diesen Herbst neben den üblichen Mantras zur Selbst­motivierung hören werden.