"Spiegel"-Interview

Biesenbach: "Mich hat Trumps Erfolg 2024 nicht gewundert"

Museumsdirektor Klaus Biesenbach warnt vor einer "Kulturrevolution" unter Trump – und spricht im "Spiegel" über Cancel Culture, Quotenzwang, Diversitätsdruck und den Eklat rund um Nan Goldin in Berlin

Der Museumsdirektor Klaus Biesenbach sieht einen von den USA ausgehenden globalen Kulturkampf. "Mit Trump erleben wir nun den zweiten Teil einer Tragödie und können nur hoffen, dass es keinen dritten gibt", sagte der 58-Jährige in einem "Spiegel"-Interview (Nr. 23/2025). "Im Moment sind die Menschen geradezu schockgefroren. Trumps Leute verfügen jetzt über einen viel größeren politischen Durchgriff als in seiner ersten Amtszeit, er selbst vollzieht auf dieser Basis eine Revolution, auch eine Kulturrevolution, und er verstärkt seine ungute Dominanz durch die Oligarchen, mit denen er sich umgibt."

Dass Trump 2024 wieder gewann, hat Biesenbach, der deutscher und amerikanischer Staatsbürger ist, nicht überrascht. Schon die erste Trump-Amtszeit ("die Pandemie, der ermordete George Floyd") seien eine "Kulturkampf-Tortur" gewesen, und zwar auch von der Opposition. 

"Die Gesellschaft ändert sich ständig und so auch die Kunstwelt, nur erkennt man es nicht immer sofort, auch ich nicht. Plötzlich gelten neue Regeln, und man weiß nicht einmal, wer sie aufgestellt hat. Seit einigen Jahren dreht sich in der Museumswelt alles nur noch um DEAI, wie es im Amerikanischen heißt. Um Diversität, Egalität, Barrierefreiheit und Inklusivität." Und das sei offensichtlich vielen zu viel geworden.

Er sei zwar einer der Ersten gewesen, der mehr Kunst von Frauen als von Männern gezeigt habe, einer der Ersten, der Schwarze Positionen ausgestellt habe. "Weil es großartige Künstlerinnen und Künstler sind, die lange übersehen wurden. Aber dann wurde es unerträglich. Es wurde alles zum Quotenzwang. Nur bestimmte Wörter durften benutzt werden. Wehe, man verdrehte in einer dieser Pandemie-Videokonferenzen die Augen. Das galt als Mikroaggression und die wiederum als Form der Diskriminierung. Alle standen ständig unter Beobachtung, jede Äußerung, jede Geste konnte falsch sein, und man wusste nie, was einem drohte."

Biesenbach setzte in den 1990ern in Berlin den Kunstboom in Gang. 2004 verschaffte ihm das einen Ruf ans Museum of Modern Art in New York. Nach einer kurzen Station als Direktor des Museum of Contemporary Art in Los Angeles kehrte er 2022 nach Berlin zurück und wurde Direktor der Neuen Nationalgalerie. 

Biesenbach zu Goldin-Eklat: Nie daran gedacht, sie auszuladen

Dort stand er im letzten Herbst im Zentrum eines Eklats: und zwar bei der Eröffnung der Ausstellung "This Will Not End Well" der jüdischen New Yorker Fotografin Nan Goldin, die Israel wegen seiner Vergeltung nach dem 7. Oktober 2023 einen Genozid in Gaza vorwirft. Am Abend vom 22. November 2024 hielt Biesenbach eine Gegenrede gegen Goldin, die von propalästinensischen Aktivisten mit Geschrei übertönt wurde. 

Biesenbach im "Spiegel": "Mir war klar, dass sie sich äußern wollen würde. Klar war auch ihre Position: die Regierung in Israel zu verurteilen und Deutschland als deren Helfershelfer. Im Vorfeld war Nan zu 100 Prozent davon überzeugt, dass wir sie ausladen. Ich aber habe nie eine Sekunde gedacht, dass wir sie ausladen – und wenn das bedeutet hätte, dass ich hier gehen muss." Es sei wichtig gewesen, dass Goldin habe reden dürfen. "Und dass niemand ihrer protestierenden Fans angefasst und herausgetragen wurde. Ob ich mit Handkuss begrüßt werden würde, wenn ich meine Gegenrede halte? Das hatte ich nicht erwartet."