Ikonoklasmus kann manchmal ganz alltäglich aussehen. Gelbe Bagger, Bauarbeiter in Neon-Warnwesten, splitterndes Pflaster unter dem Druck von Presslufthämmern. Kein ungewöhnlicher Anblick in der US-Hauptstadt, deren Erscheinungsbild maßgeblich von Baustellen geprägt ist. Und doch sind diese Straßenarbeiten eine Zäsur - ein weiterer gut sichtbarer Beweis dafür, in welch atemberaubender Geschwindigkeit die zweite Trump-Regierung das Land in seinem Sinne zurechtstutzt. Denn was da ganz in der Nähe des Weißen Hauses vom Asphalt gekratzt wird, sind nicht irgendwelche gelben Buchstaben. Es ist der Schriftzug "Black Lives Matter", der an eine der größten Protestbewegungen der jüngeren Vergangenheit erinnert. Nun soll er verschwinden - offiziell wegen des bevorstehenden 250. Geburtstags der USA, aber ganz offensichtlich auch auf politischen Druck der Republikaner.
Wir erinnern uns: Vor knapp fünf Jahren, also einer gefühlten politischen Ewigkeit, erschütterte die Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten nicht nur die USA, sondern führte auf der ganzen Welt zu Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die Bewegung "Black Lives Matter" (BLM) brachte trotz Corona Millionen Menschen auf die Straßen; die Wut der Aktivistinnen und Aktivisten richtete sich auch gegen Kulturinstitutionen, die nach ihrer Lesart auf kolonial und rassistisch geprägten Hierarchien basieren. Ende 2020 wählten sowohl Monopol als auch das Magazin "Art Review" die "BLM"-Kampagne auf Platz eins ihrer Listen der einflussreichsten Akteure im Kunstbetrieb.
Neben Forderungen nach Reformen (oder Abschaffung) der Polizei, spielten bei "Black Lives Matter" immer auch symbolische Handlungen eine Rolle. Denkmäler von Sklavenhaltern und Kolonialherren wurden in vielen Städten unter Jubel gestürzt - mal von den Demonstrierenden selbst, mal in bürokratischen Verfahren von der Politik beschlossen. Straßen wurden umbenannt, Museumsprogramme und -personal auf Diversität überprüft. In den Kreisen, die dem bürgerrechtlich motivierten Bildersturm positiv gegenüberstanden, schien man sich einig: An der Kunst wurden plötzlich auf faszinierende Weise die großen Fragen fassbar. Wem gehört der öffentliche Raum, an wen wollen wir erinnern, wie machen wir die Menschen sichtbar, die in der "Siegergeschichte" nicht vorkommen?
Laute und deutliche Botschaft auf der Straße
In diesem Kontext ist auch die Washingtoner "Black Lives Matter Plaza" zu sehen, die sich über zwei Blocks in Downtown Washington erstreckt - ganz in der Nähe des Machtzentrums der USA, das ansonsten von Reiterstandbildern und Büsten der "Gründerväter" der Nation geprägt sind. "Es gibt Menschen, die sich danach sehnen, gehört und gesehen zu werden und ihre Menschlichkeit anerkannt zu bekommen", sagte die demokratische Bürgermeisterin Muriel Bowser damals bei der Einweihung. "Wir hatten die Gelegenheit, diese Botschaft laut und deutlich auf einer sehr wichtigen Straße in unserer Stadt zu vermitteln."
Knapp zwei Monate nach Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit klingt das nun ganz anders. Druck der Republikaner, den Schriftzug zu entfernen und den Platz umzubenennen, gab es schon länger. Zuletzt hatte ein Kongressabgeordneter jedoch einen Gesetzesentwurf eingebracht, in dem gedroht wurde, der US-Hauptstadt Bundesgelder zu streichen, sollte dies nicht geschehen. Erpressung, so sieht es aus, wird gerade zum beliebten Instrument der US-Politik.
Bowser, selbst Afroamerikanerin und eine engagierte Fürsprecherin für "BLM", hat inzwischen eingelenkt. In einem Statement auf X schrieb sie unter anderem, das Mural habe vielen Menschen durch eine schmerzhafte Zeit geholfen. Nun könne man es sich aber nicht mehr leisten, sich von "sinnlosen Einmischungen des Kongresses" ablenken zu lassen. Der "verheerende" Stellenabbau auf Bundesebene müsse ab sofort erste Priorität sein. "Unser Fokus liegt auf wirtschaftlichem Wachstum, öffentlicher Sicherheit und dem Schutz unserer Bewohner, die von den Kürzungen betroffen sind", schreibt die Bürgermeisterin.
Denkmalsturz 2.0
Bowser hat insofern recht, als dass Ablenkung eine zentrale Strategie der Trump-Regierung ist. Noch extremer als in seiner ersten Amtszeit bombardiert der US-Präsident die skandalhungrige Öffentlichkeit mit täglichen Ungeheuerlichkeiten - von hunderten Dekreten bis zur KI-Hölle von "Riviera Gaza". Zwischen medialen Nebelkerzen und weitreichenden Eingriffen in die Strukturen der Demokratie zu unterscheiden, ist eine der drängendsten Aufgaben der Ära Trump 2.0.
Dass Bowser den Abbau der "Black Lives Matter Plaza" jetzt zur Nebensache erklärt, kann man unter dem republikanischen Druck nachvollziehbar finden - oder für Opportunismus halten. Beobachter vermuten, dass die Bürgermeisterin Trump nicht verärgern will, um einige Sonderrechte zu bewahren, die Washington als Hauptstadt besitzt. Die Demokratin widerspricht mit ihrer Relativierung jedoch genau der Idee, die sie 2020 nach eigener Aussage zur Schaffung des Schriftzugs motivierte: Dass die Präsenz des Anti-Rassismus im öffentlichen Raum ein sichtbares Zeichen für den politischen Willen zur Gleichberechtigung ist. Diese Kehrtwende passt zu einem Vorwurf, der progressiven, tendenziell linken Aktivisten und Politikerinnen gerade gern gemacht wird. Die "Siege" der vergangenen Jahre seien ausschließlich im Symbolischen eingefahren worden, also in den vermeintlich "weichen" Bereichen wie Kunst, Sprache oder Geisteswissenschaften. Die realen Machtverhältnisse und die ökonomische Ungleichheit hätten sich dadurch kaum verändert.
Doch dass dieser vorpolitische Raum, zu dem auch die Kultur gehört, in der Krise weniger Relevanz hat, ist ein Trugschluss. Das zeigt allein der Furor, mit dem die Trump-Regierung die seit 2020 erfolgten Denkmalstürze mit eigenem Ikonoklasmus rückgängig machen will. Diesmal kommt der Wille zur Veränderung jedoch nicht aus der Bevölkerung, sondern autoritär von oben.
Konservativer Rachefeldzug
Für Trump und seine Mitstreiter ist das Symbolische alles andere als nebensächlich. Sie wollen kontrollieren, wie künftig gebaut wird; wollen bestimmen, was im Kennedy-Kulturzentrums aufgeführt wird und was nicht. Das brutale Vorgehen gegen die Rechte von trans Menschen sind genauso Teil eines culture war wie die offensive Inszenierung einer geldgetränkten, weißen Vulgär-Elite. Für Förderanträge in der Wissenschaft gibt es inzwischen eine Liste von "verbotenen Wörtern", deren Verwendung zur Ablehnung der Gesuche führen soll. Sie kommen vor allem aus den Bereichen Diversität und Inklusion. Das alles sind Maßnahmen aus einem faschistischen Alptraum, in dem die Kraft von Sprache und Symbolen sehr wohl erkannt und genutzt wird.
Zum konservativen Rachefeldzug gegen progressive Bewegungen kann man auch die Tilgung der "Black Lives Matter Plaza" zählen. Sowohl Donald Trump als auch der offizielle Account des Weißen Hauses teilten Videos der Abrissarbeiten genüsslich auf Social Media.
Muriel Bowser verweist währenddessen beschwichtigend auf eine geplante Neugestaltung. Am 4. Juli 2026 jährt sich die Unterzeichnung der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung zum 250. Mal. Bis dahin soll der Straßenzug unter Einbeziehung von Künstlern und Studierenden in neuem Design erstrahlen - was jedoch ebenfalls zu ideologischen Konflikten führen dürfte. Was dort in gut einem Jahr zu sehen sein wird, kann durchaus Aufschluss über den dann herrschenden Zustand des Landes geben.