Bob Colacello in London

Fotos, die so schräg sind wie die besten Partys

Bob Colacello "Bianca Jagger, Halston‘s House, New York", 1976
Foto: Bob Colacello

Bob Colacello "Bianca Jagger, Halston‘s House, New York", 1976

Ohne den Fotografen und Warhol-Vertrauten Bob Colacello wäre die glamouröse New Yorker Disco-Szene der 1970er nicht halb so gut dokumentiert wie sie es ist. Nun sind seine stargesättigten Bilder in London zu sehen

Es war 1970 und Bob Colacello war gerade beim Mittagessen mit seinen Eltern in Long Island, wo er aufgewachsen war, als das Telefon klingelte und ein Mitarbeiter von Andy Warhols Zeitschrift "Interview" sich meldete. Warhol hatte Colacellos Filmkritiken in der "Village Voice" gelesen und wollte ihn kennenlernen. Coacello wurde Redakteur von Warhols Magazin.

Die Zusammenarbeit zwischen beiden ist historisch zu nennen – ohne sie wäre die Disco-Szene in New York nicht halb so gut dokumentiert worden. "Bei Disco ging es ums Mixen", sagt Colacello. "Schwule und Heterosexuelle, Uptown und Downtown, Reiche und weniger Wohlhabende", erzählte er dem Magazin "Vice" anlässlich der Ausstellung seiner Fotografien aus dieser Zeit bei Ropac in Paris. Jetzt sind die Bilder in London zu sehen.

Seine Kamera war eine kleine Minox, ein deutsches Fabrikat, das auch bei Spionage eingesetzt wurde. Sie ermöglichte ihm schnelle unkomplizierte Aufnahmen, die im Fall von Colacello am Auslöser oft aussahen, als werde er beim Fotografieren gerade angerempelt oder könne nicht durch den Sucher schauen. "Ich habe meine Bilder sehr zufällig aufgenommen", sagt Colacello. "Ich wollte, dass sie ein wenig schräg aussehen, so wie Partys eben sind." Nicht selten war auch die berühmteste Person im Bild nur halb darauf zu sehen, dafür waren aber gebräunte ausgestreckte Beine von jemand anderem im Fokus. Diese Beiläufigkeit des Dabeiseins war auch das Geheimnis des Clubs Studio 54, in dem die meisten seiner berühmtesten Bilder entstanden.

Sieht man Talent in den Bildern?

"Wer drin war, mischte sich mit den Stars und fühlte sich auch wie einer. Es gab dort alle Arten von Stars: Vladimir Horowitz, Moshe Dayan, John McEnroe und Salvador Dalí", sagt Colacello über den legendären Club. Wenn einer der Modedesigner unter den Gästen gegen vier Uhr morgens besonders gut drauf war, wurde ihm noch eine Anzeige im Magazin verkauft. Keine Frage, dass diese Art der teilnehmenden Beobachtung harte Arbeit war.

Zugleich aber auch ein großer, unwiderbringlicher Spaß, der jetzt noch in den Bildern funkelt, und der unter anderem auf ein paar irrigen Annahmen gründete – etwa, dass serieller Sex total ungefährlich sei und Kokain nicht abhängig mache. Das größte Talent im Hintergrund war natürlich Andy Warhol mit seinem großen Gespür für Talente. Ob Prince oder Mapplethorpe, "Interview" hatte sie zuerst.

Daraus erklärt sich auch die Inbrunst, mit der sich Colacello später gegen die nächste Generation von Celebrities positionierte – die Paris Hiltons dieser Welt, die nur berühmt dafür waren, berühmt zu sein. Ganz ohne etwas anderes besonders gut zu können oder auch nur ein Interesse an etwas anderem erkennen zu lassen. Auch diesen großen Unterschied, das "Talent" der von Colacello abgelichteten Personen, meint man, in seinen Bildern sehen zu können.