In Bonn war der große alte Belgier Raoul De Keyser zu entdecken

Es heißt, er sei ein unterschätzter Maler. Fest steht: Das Kunstmuseum Bonn, in der Mitte Westeuropas, aber am Rande der deutschen Szene, hatte sich mit dem Belgier Raoul De Keyser den richtigen Kandidaten gewählt, um das Modigliani-Publikum aus der Bundeskunsthalle gegenüber ins eigene Haus zu ziehen.
Frappierend das umfassend Zeitgenössische. Wer ohne Informationen – oder: Vorbehalte – schaute, meinte, hier habe jemand in fünf Jahren erstaunlich viele gute Bilder produziert. In Wirklichkeit handelte es sich um die Retrospektive eines Mannes im Alter von Jasper Johns. Vom Plakatmotiv, dem (Garten-) „Schlauch“ von 1964 über die blauen (Stoff-) „Enden“ von 1992 bis zu „Hunting in the Snow“ von 2007 sind es doch immerhin 43 Arbeitsjahre, Werke, denen man die Arbeit nicht ansieht.

Die Ausgangspunkte jedoch schon: Was ist ein Bild? Braucht es Illusion? Wie viel Macht hat ein Objekt? Sehen Künstler und Betrachter dasselbe? Diese großen Fragen muss De Keyser sich gestellt haben, um sie herunterzubrechen auf die kleinen von Feld und Linie, Form und Antiform. Seine Gemälde sieht der belgische Künstlerschreiber Bernard Dewulf „in einem mit Farbe erdachten Vorzimmer zwischen Welt und Nachwelt“, und der Zugang liege darin, dass De Keysers Sujets „als Erinnerung gemalt“ seien. Tatsächlich gibt es da einen gap zwischen Beobachtung und Ausführung, der eine Zeitkapsel enthält.

Für jemanden, der 1955 fünfundzwanzig war, kann es nicht leicht gewesen sein, der „Gegenstandslosigkeit“ zu entgehen. Der Schluss war nun nicht der Triumph des Gegenstands, sondern die Befragung seiner Darstellbarkeit. Deshalb tragen auch die meis­ten Werke Titel, wenn auch bisweilen abgründige. Die „Linien“ von 1972 lassen nur noch vage die Inspiration erahnen: den Strafraum eines Provinzfußballfelds. Luc Tuymans hat aus dem Konzept, bereits das Naheliegende zu begrübeln, einen Geschichts- und Medienzweifel geschmiedet. De Keysers Œuvre kommt null pädagogisch daher, bleibt aber dennoch eine Malerschule, am Sarkastischen – „Replay“ nennt sich die Show – nur knapp vorbeigeschrammt und kurz vor der Eleganz haltgemacht. Wir werden mehr davon sehen, bestimmt.


Kunstmuseum Bonn, 20. August bis 18. Oktober